Volker Resing über eine selbstgefällige Flüchtlingsdebatte

Eine moralische Hybris

Veröffentlicht am 09.03.2016 um 00:01 Uhr – Von Volker Resing – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Volker Resing über eine selbstgefällige Flüchtlingsdebatte

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Es hat sich in der aktuellen Flüchtlingsdebatte bisweilen eine moralische Selbstgefälligkeit breit gemacht, die angesichts des Leids der Menschen schier unerträglich ist. Jüngstes Beispiel ist eine Stellungnahme von "Pro Asyl", die einen Vorschlag der Türkei als "vergiftet"  und "menschenverachtend" bezeichnet. Nun hätte die Organisation selbstverständlich Recht, wenn sie auf Menschenrechtsverletzungen in der Türkei verweisen würde. Die Türkei ist gewiss – erst Recht  nach den jüngsten Vorgängen im Medienbereich - keine "lupenreine Demokratie". Doch darum geht es hier gar nicht.

"Pro Asyl" kritisiert die türkischen Vorschläge, weil sie sich den syrischen Flüchtlingen widmen und nicht auch anderen Schutzsuchenden aus anderen Herkunftsländern. Damit werde "das Leben eines eritreischen Deserteurs oder das Leben eines aus dem Irak oder Afghanistan Fliehenden gegen das Leben eines Syrers ausgespielt", wird kritisiert. Die individuellen Fluchtgründe seien entscheidend, nicht die nationale Herkunft, heißt es in der Meldung. Der EU-Gipfel selbst sei "ein menschenunwürdiges Geschacher auf dem Rücken von Hilfsbedürftigen", so die Organisation. Drunter geht’s wohl nicht...

Aus solchen Wortmeldungen, die derzeit auch mitunter aus den Kirchen zu hören sind,  spricht eine moralische Hybris, die sich nicht um konkrete Problemlösung bemüht, sondern letztlich die eigene Bedeutung und die eigene scheinbar lupenreine Güte zur Schau tragen will.  Flüchtlingen wird durch solch eine moralische Überhöhung gewiss nicht geholfen. Vielmehr ist sie ein Tritt in die Magengrube für all jene, die nach Lösungen suchen – und es ist Wasser auf die Mühlen von Populisten und Extremisten aller Art. Natürlich sind Kriegsflüchtlinge aus Syrien etwas völlig anders als Flüchtlinge aus Afghanistan, Irak oder Eritrea. Auch wenn die Menschen jeweils als Einzelne natürlich alle als Ebenbild Gottes die gleiche Würde genießen.

Wer die Differenzierung aber nicht will, der bewegt sich außerhalb unserer geltenden Gesetze. Wenn der Kampf gegen illegale Migration dann durch den Hinweis delegitimiert werden soll, dass es immer um individuelle Not gehe, dann suggeriert das eine allseligmachende politische Option, die es in Wahrheit gar nicht gibt. Denn natürlich muss auch Migration geordnet und geregelt werden, auch wenn Not und Elend – Gott sei es geklagt – natürlich ungeordnet, individuell, willkürlich und ungerecht sind. Mehr Besonnenheit also tut Not – und nicht so viel Profilierungsgeschrei auf Kosten der in Not geratenen.

Der Autor

Volker Resing ist Chefredakteur der "Herder Korrespondenz".

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.
Von Volker Resing