Wo es an Menschen mangelt...

Veröffentlicht am 11.04.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Altenpflege 2013

Nürnberg/Bonn ‐ Jeder dritte Abiturient des anstehenden Doppeljahrgangs müsste einen Beruf in der Pflege ergreifen. Dann wäre der Mangel an Pflegekräften behoben. So verdeutlichte Domvikar Klaus Winterkamp aus Münster auf einer Caritas-Tagung die Ausmaße des Fachkräftemangels. In Zahlen liest sich das so: 14.000 Stellen sind derzeit unbesetzt, der tatsächliche Bedarf wird auf 50.000 geschätzt.

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Bis zum Jahr 2020 werden voraussichtlich sogar 220.000 Fachkräfte gebraucht, denn: Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt unaufhaltsam an, von derzeit zwei Millionen auf voraussichtlich 4,5 Millionen Menschen im Jahr 2050!

Heute leben 70 Prozent aller Pflegebedürftigen zu Hause oder bei ihren Angehörigen. In den kommenden Jahren wird die Zahl der Familien, die ihre Angehörigen selbst versorgen können, immer mehr zurückgehen. Das erfordert einen Ausbau der Pflegeeinrichtungen. Gleichzeitig hält der Trend an, auch im hohen Alter in den eigenen vier Wänden zu bleiben.

Wer sich die Prognosen anschaut, weiß: Es ist illusorisch, in absehbarer Zeit genug Fachkräfte zu finden. Da kann Gesundheitsminister Daniel Bahr auf der derzeitigen Nürnberger Messe Altenpflege 2013 noch so sehr für diesen krisensicheren, wohnortnahen und "tollen sozialen Beruf" werben. Die geringe Bezahlung, die kräftezehrende Arbeit und die geringe Wertschätzung des Berufs machen die Branche unattraktiv.

Technikwelle im Altenpflegemarkt

Wo es an Menschen mangelt, kann vielleicht die Technik aushelfen… Der Altenpflegemarkt jedenfalls boomt, Experten sprechen von einer wahren Technik-Euphorie. Einen Überblick über Innovationen gibt die Sonderschau "aveneo" auf der Fachmesse in Nürnberg. Die Auswahl reicht vom Pillenwecker, der Oma an die rechtzeitige Einnahme ihrer Medikamente erinnert, bis hin zu Krankenbetten, die ein Wundliegen verhindern. Und was ist mit den häufig misstrauisch beäugten Pflegerobotern?

Sie prägen das Bild in den Gängen der Nürnberger Messehallen eher nicht. Oder sind nicht gleich auf den ersten Blick zu erkennen. Wie etwa Paro, das flauschig-weiße Robbenbaby, das in der Pflege von Demenzkranken eingesetzt wird. Hinter den schwarzen Kulleraugen verbirgt sich ein Computer, der das Kuscheltier auf Ansprache und Streicheleinheiten reagieren lässt und ein Eigenleben simuliert. Die Bewohner kümmern sich um das Tier und bauen eine Beziehung zu ihm auf. Natürlich soll Paro die Tätigkeit der Pfleger nur ergänzen. Bleibt trotzdem die Frage, ob ein Stofftier, so lebensecht es auch sein mag, die Nähe eines Menschen oder ein echtes Haustier ersetzen kann.

Wer sich auf der Messe so richtig in die Lebenswelt gebrechlicher Menschen hineinversetzen will, leiht sich einen Altersanzug aus. Brille, Ohrschützer und Gewichte vermitteln das Gefühl hohen Alters. Schnell merkt der Träger, wie mühsam es ist, sich so zu bewegen und wie unsicher man auf den Beinen ist.

Stürze sind daher bei betagten Menschen oft vorprogrammiert und dann ist schnelle Hilfe gefragt. Der Notrufknopf wird langsam zum Auslaufmodell. Zu oft kommt es vor, dass Betroffene ihn im Notfall nicht erreichen oder den mobilen Sender gerade nicht um den Hals tragen. Neu sind dagegen Sensoren, die die ganze Wohnung überwachen. Fällt eine Person zu Boden, registrieren sie das und initiieren einen Telefonanruf. Nimmt der Bewohner den Anruf entgegen und gibt Entwarnung, passiert nichts weiter. Falls nicht, wird ein Angehöriger oder der Rettungsdienst alarmiert.

Nach einem Sturz dauert es häufig lange, bis sich alte Menschen erholen. Nicht selten sind sie nach einem Oberschenkelhalsbruch lebenslang auf den Rollstuhl oder den Rollator angewiesen. Die klassische Reha und sporadische Termine beim Physiotherapeuten verhelfen kaum zu mehr Eigenständigkeit, da sie sich ausschließlich auf das konkrete Gesundheitsproblem, etwa den verletzten Oberschenkelhals, konzentrieren.

Die geriatrische Reha

Besser ist die geriatrische Rehabilitation, auf die es seit 2007 sogar einen Rechtsanspruch gibt. "Nur wenige Patienten wissen von dieser speziellen Form der Reha", berichtet Stiftung Warentest im aktuellen Test-Magazin. Sie bietet älteren Menschen eine ganzheitliche Behandlung und will sie umfassend in ein möglichst selbstständiges Leben zurückgeleiten. Weg vom Rollator ist die Devise. Bislang gebe es jedoch zu wenige Angebote, so Stiftung Warentest, zudem seien die Rehas teurer als die klassische Nachversorgung, weshalb Krankenkassen die Kuren häufig ablehnten.

Damit es gar nicht erst Stürzen kommt, gilt es vorzubeugen und die Beweglichkeit zu erhalten. Auf der Sonderschau "Freiräume" werden Sportgeräte und Parcours für den öffentlichen Raum vorgestellt, die sich an alle Generationen richten. Wer über wackelnde Plattformen läuft, trainiert sein Gleichgewicht, wippende und ergonomische Sitzgelegenheiten erlauben nicht nur ein besseres Aufstehen, sondern halten auch im Sitzen in Bewegung. Was wirkt, wie zu groß geratene Geräte für den Kinderspielplatz, soll Rentner zum Sporteln animieren.

Es gibt also einige Antworten auf die drängenden Pflegefragen der Zukunft. Ob nun die - finanzielle - Aufwertung des Pflegeberufs, die Anwerbung ausländischer Fachkräfte oder die Entwicklung sinnvoller technischer Hilfen. Vor alledem sind die Prävention und die Erhaltung der Selbstständigkeit im hohen Alter aber sicherlich der Königsweg.

Von Janina Mogendorf

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