Töten lassen liegt im Trend

Grund zur Sorge bereitet einmal mehr China, das jedes Jahr immer noch mehrere tausend Menschen hinrichten lässt. Aber 2012 kehrten auch einige Demokratien zu Exekutionen zurück.
Die Zahlen von Amnesty International (AI) basieren auf offiziellen Angaben und Schätzungen von Experten. Demnach ließ der Staat in China mit mehreren tausend Menschen die meisten verurteilten Verbrecher exekutieren. Genaue Zahlen nennt AI nicht, da die Volksrepublik seit 2009 die Zahl der Hinrichtungen geheim hält. Andere Menschenrechtler gehen von 4.000 bis 8.000 Hinrichtungen aus. Amnesty ist sicher: "China hat 2012 wieder mehr Menschen hingerichtet als der gesamte Rest der Welt zusammen."
Außerhalb Chinas 682 Hinrichtungen - auch neue Länder auf der Liste
In den anderen Ländern gab es mindestens 682 Hinrichtungen - zwei mehr als im Jahr zuvor. Auf Platz zwei der "Henkerstaaten-Statistik" lag wieder der Iran, wo mindestens 314 Menschen gehenkt wurden. Es folgen der Irak (129), Saudi-Arabien (79), die USA (43) und der Jemen (28). In Weißrussland - dem einzigen europäischen Staat mit der Todesstrafe - gab es drei Exekutionen. Mit Ausnahme der USA, wo alle Fälle bekannt sind, sind das alles Mindestzahlen.
Mehr als zwei Drittel der insgesamt 193 Mitgliedsländer der Vereinten Nationen haben die Todesstrafe per Gesetz abgeschafft oder verzichten darauf. 2012 kehrten allerdings mehrere Länder wie Botswana, Japan, Indien, Pakistan, Gambia oder Kuwait nach zum Teil jahrzehntelanger Pause zu Hinrichtungen zurück. Als besonders kritisch bezeichnete Amnesty die Praxis der erzwungenen "Geständnisse", die zum Todesurteil führen. Im Iran und Irak werden solche "Geständnisse" im Fernsehen übertragen.
Ein schwerer Rückschlag für die Hinrichtungsgegner ist die Vollstreckung von Todesurteilen in großen Demokratien wie Indien (Hängen des einzigen überlebenden Täters der Anschläge von Mumbai 2008) und Japan (für mehrfachen Mord und Anfang 2013 für Morde "von extremer Grausamkeit"). Die kleine Republik Gambia in Westafrika schickte im Sommer 2012 nach mehr als einem Vierteljahrhundert Pause gleich neun verurteilte Verbrecher in den Tod - an einem einzigen Tag.
Bundesregierung schockiert über Exekutionen in Kuwait
Das jüngste Beispiel lieferte Kuwait Anfang April . In dem Golfstaat, wo fast sechs Jahre lang ein Hinrichtungsstopp gegolten hatte, wurden an Ostermontag drei mutmaßliche Mörder zeitgleich gehängt - auf dem öffentlichen Parkplatz vor dem Zentralgefängnis. Die Männer durften noch eine letzte Zigarette rauchen. Dann bekamen sie Kapuzen über dem Kopf, Arme und Beine wurden mit Ketten und Lederbändern gefesselt. Ihre Leichen wurden erst vom Galgen geholt, nachdem die Fotografen ihre Bilder gemacht hatten.
Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, reagierte "zutiefst schockiert". Er appellierte an die Regierung Kuwaits, "zum Moratorium zurückzukehren und die Strafen der verbleibenden 48 zum Tode Verurteilten in Haftstrafen umzuwandeln". Er verwies darauf, dass Deutschland die Todesstrafe "unter allen Umständen" ablehne. "Die Todesstrafe ist eine unmenschliche und grausame Strafe, für die im 21. Jahrhundert kein Platz ist", so Löning. In Deutschland liegt die letzte Exekution mehr als 30 Jahre zurück: Im Juni 1981 ließ die DDR den Stasi-Hauptmann Werner Teske wegen "Hochverrats" exekutieren. Die Bundesrepublik hatte die Todesstrafe schon 1949 aus der Verfassung gestrichen.
Allgemeiner Trend: weg von der Todesstrafe
Einige wenige positive Veränderungen kann Amnesty vermelden: 2012 schafften Lettland und der US-Bundesstaat Connecticut die Todesstrafe ab. Im März stimmte kürzlich Maryland als 18. der 50 Bundesstaaten der USA der Abschaffung zu. Die Menschenrechtler von AI glauben weiterhin an einen allgemeinen Trend weg von der Todesstrafe. "Der Rückschritt, den wir in einigen Ländern feststellen musste, ist enttäuschend. Aber das kehrt den allgemeinen Trend nicht um", sagte Amnesty-Generalsekretär Salil Shetty. "In den meisten Teilen der Welt gehören Hinrichtungen der Vergangenheit an."
Auch wenn die Zahl der Todesvollstreckungen fast unverändert geblieben ist: Die Zahl der Todesurteile ist nach Angaben von Amnesty International 2012 rückläufig. Demnach wurden im vergangenen Jahr rund 200 Menschen weniger zum Tode verurteilt als 2011. (Mit Material von dpa)
Von Agathe Lukassek