Fröhlich-banale Spiegeleier
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Das Krümelmonster mit niederländischem Migrationshintergrund? Ein nicht ganz ernst gemeinter Kommentar zu den Überwachungsskandalen der vergangenen Jahre? Oder doch Spiegeleier ohne Brot? Die vor wenigen Tagen vorgestellte Werbekampagne für den Evangelischen Kirchentag im kommenden Jahr in Berlin und Wittenberg weckt viele Assoziationen - nur mit der evangelischen Kirche und dem Kirchentag bringt man das grellorange Plakat leider nicht in Verbindung.
In der Hauptvariante zeigt das Plakat zwei etwas irre dreinblickende, spiegeleiförmige Augen, unter denen in der Form eines verfressenen Krümelmonster-Mundes das biblische Leitwort des Kirchentags – "Du siehst mich" aus dem Buch Genesis – steht. Nicht nur ich habe mich beim Betrachten des Plakats gefragt: Meinen die Organisatoren das ernst?
Schon die Vorstellung des Leitworts für den Kirchentag hatte im vergangenen Oktober Kritik ausgelöst. Wer sieht da eigentlich wen? Und was hat das mit 500 Jahren Reformation zu tun, die die evangelische Kirche im kommenden Jahr groß feiert? Noch wichtiger: Was soll das Leitwort in Zeiten von Flüchtlingskrise, Syrien-Krieg oder Terrorangst eigentlich ausdrücken? Mit dem jetzt vorgestellten Kampagnenmotiv, das immerhin von der bekannten Werbeagentur "Scholz & Friends" entworfen wurde, wird die Ratlosigkeit nicht geringer.
Keine Frage: Die Organisatoren des Evangelischen Kirchentages haben mit Leitwort und Werbekampagne eine große Chance verpasst. Statt sich mit aller Kraft und einem erkennbar christlichen Anstrich den drängenden Fragen unserer Zeit zuzuwenden, hat man - frei nach dem Motto "Wir haben uns alle lieb" - auf eine fröhlich-banale Botschaft gesetzt, die niemandem weh tut und die niemanden herausfordert. Dem eigenen Anspruch, ein Ort des streitbaren Dialogs über zentrale gesellschaftliche Fragen zu sein, wird der Evangelische Kirchentag so leider nicht gerecht.