Caritas Libanon hilft gescheiterten Arbeitsmigranten

Der Albtraum vom Glück

Veröffentlicht am 27.04.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Eine Werbetafel für eine Agentur für Hausmädchen in Beirut/Libanon.
Bild: © KNA
Migration

Beirut ‐ Die Stadtautobahn führt mitten durch die Metropole Libanons, die Zwei-Millionen-Stadt Beirut. In mehreren Brückenbögen geht es elegant über größere Verkehrsknotenpunkte hinweg. Welcher Autofahrer ahnt da schon, dass in den Katakomben unter einer der Brücken das libanesische Abschiebegefängnis für Ausländer untergebracht ist?

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Der Zugang ist nur durch eine Eisentür in der Betonwand möglich, eine schmale Treppe führt hinab. Unten nur elektrisches Licht, nur schmale vergitterte Luftschächte, keine Fenster. Die Zellen sind große, vielleicht zwölf auf sechs Meter große Käfige, in denen jeweils an die 50 Männer oder Frauen untergebracht sind. Matratzen liegen dicht an dicht, an Rückzug und Privatsphäre ist nicht zu denken.

Nach hinten hin haben die Insassen ihre Wäsche und Habseligkeiten in Beuteln an die Gitter gehängt. So entsteht zumindest zur Rückseite hin etwas Sichtschutz. Zwei Duschen und zwei Toiletten stehen in jeder Zelleinheit zur Verfügung. Wer an dem Gefangenentrakt entlang geht, traut sich kaum, durch die Gitterreihen zu blicken, hinter denen die Menschen zurückschauen, oft sehr jung, viele verunsichert, verschreckt.

Die Caritas Libanon hat durch es durch langjährige Verhandlungen und Vertrauensbildung geschafft, für ihre Sozialarbeiter Zugang zu den Gefangenen zu erhalten. Was haben die Menschen eigentlich verbrochen, um hier zu landen? "Die Menschen warten hier nur auf ihre Abschiebung", erklärt Caritas-Mitarbeiterin Silvie Eid, "sie wurden als Ausländer aufgegriffen, sie müssen nicht unbedingt kriminell geworden sein. Sie haben in irgendeiner Form gegen die Aufenthaltsbestimmungen verstoßen. Dann gelangen sie hierher und bleiben, bis ihre Papiere und die Rückreise ins Heimatland geregelt sind."

Entspannteres Klima

Die Caritas sorgte mit dem Engagement ihrer Sozialarbeiter dafür, dass sich das Klima zwischen Wachsoldaten und Gefängnisinsassen entspannt hat. Die Gefangenen werden einmal täglich mit warmen Essen versorgt, ein Arzt schaut wöchentlich vorbei, und Schwestern sorgen nach seinen Vorgaben für die notwendige Medikamentenversorgung.

Wie lange die Gefangenen bleiben müssen, ist dabei völlig ungewiss. 528 Menschen aus aller Welt sind es im Augenblick. Eine von ihnen ist Kides, 20 Jahre alt, aus Äthiopien. Mehrere Jahre arbeitete sie als Haushälterin in ihrer Familie, dann hatte sie genug von der Arbeit ohne Ende und keinerlei Freizeit. Sie ging. Und wurde damit illegal:

Die Vermittlungsverträge der Agenturen für Housemaids überlassen die jungen Mädchen allzu oft der Willkür der Arbeitgeber. Kides wurde geschnappt. Nun wird sie demnächst nach Äthiopien zurückfliegen müssen, obwohl sie gerne im Libanon bliebe.

Auf Abruf: Unter dieser Autobahnbrücke befindet sich das Abschiebegefängnis.
Bild: ©KNA

Auf Abruf: Unter dieser Autobahnbrücke befindet sich das Abschiebegefängnis.

Mehrere Hunderttausend Ausländer gibt es neben den rund 4,5 Millionen Libanesen in dem kleinen Land nördlich von Israel. Als Flüchtlinge kamen erst die Palästinenser und Iraker, viele von ihnen blieben. Nun kommen die Syrer, dazu die zahlreichen Arbeitsmigranten wie Kides.

Beirut ist eine prosperierende Stadt mit großer Bedeutung als Handels- und Dienstleistungsplatz. Das lockt viele Menschen aus dem arabischen Raum, anderen afrikanischen Staaten und Asien an.

Schlechte Arbeitsbedingungen für Hausmädchen

Libanesische Agenturen werben junge Frauen als "Housemaids" an. Im Libanon gehört es zum guten Ton, ein solches Hausmädchen zu haben. Viele dieser Frauen versetzt es auch tatsächlich in die Lage, dabei für einige Jahre gutes Geld zu machen und den Verdienst der Familie daheim zukommen zu lassen.

Doch die Arbeitsbedingungen der Maid sind oft nur unzureichend geregelt, manche Arbeitgeber behandeln die Frauen schlecht. Und da Weglaufen die Frauen zu illegalen Migranten macht, haben sie alle Trümpfe in der Hand.

Doch wenn Gewalt, Drogen und sexuelle Übergriffe ins Spiel kommen, bleibt den Frauen manchmal nur die Flucht. Ihnen bietet die Caritas Libanon Hilfe an. Sie unterhält im Raum Beirut einige Frauenhäuser.

Im "Shelter-House" bringt sie ausländische Frauen und ihre Kinder sowie Schwangere unter, die eine Rückzugsmöglichkeit benötigen. Seit einiger Zeit darf die Caritas auch Frauen aus dem Abschiebegefängnis in Obhut übernehmen, wenn das Verfahren abgeschlossen ist und die Frauen noch einige Tage auf die Rückführung in die Heimat warten müssen.

Kein Rückflugticket

Die Adresse vom "Safe-House", einem weiteren Caritas-Frauenhaus, ist geheim. Von außen deutet nichts darauf hin, dass hier ausländische Frauen und ihre Kinder ein Schutzrefugium gefunden haben. Viele Bewohnerinnen sind von ihren Arbeitgebern geflohen.

So auch Nelia aus Sri Lanka, die seit eineinhalb Jahren im Safe-House ausharrt. Die Familie ihres Arbeitgebers hatte ihre Arbeitskraft rücksichtslos ausgenutzt. Sie sollte zum Drogenkonsum gezwungen werden, ihr wurde sexuelle Gewalt angedroht. Nach Flucht und Aufnahme im Safe-House wählte Nelia einen schweren Weg. Die Polizei wurde eingeschaltet, es kam wegen der Drogenvorwürfe zu einer Gerichtsverhandlung, die mit einer geringen Geldstrafe für den Arbeitgeber glimpflich endete.

Um endlich in die Heimat zurückkehren zu können, wäre Nelias ehemaliger Arbeitgeber eigentlich verpflichtet, ihr das Rückflugticket zu kaufen. Bisher weigert er sich. Für diejenigen, die im Safe-House gelandet sind, ist der Traum vom Glück im "Libanon" zu Ende.

Von Christian Scharf (KNA)

Spendenaufruf

Caritas international unterstützt die Caritas Libanon in ihrer Arbeit, die neben den Arbeitsmigranten und ihren Kindern derzeit vor allem auch den syrischen Flüchtlingen im Libanon zu Gute kommt. Spenden zur Unterstützung der Hilfe im Libanon sind möglich auf das Spendenkonto 202 bei der Bank für Sozialwirtschaft Karlsruhe, BLZ 660 205 00.