Rückkehr ins "Heimatland"
Nun steht Abt Maximilian zusammen mit Pater Simeon, dem Prior von Heiligenkreuz, Pater Meinrad, Pater Kilian, Frater Alberich und Ortspfarrer Ansgar Florian auf dem Stiftsplatz in Neuzelle. Der Platz ist mit großen runden Steinen grob gepflastert. Zwei Kirchen, eine kleine evangelische und die große katholische, strahlen frisch saniert in der weitläufigen Anlage. Ein Barockgarten mit Orangen- und Zitronenbäumen bildet den Übergang zu den Oderwiesen im Osten. Die barocke Toranlage im Westen wird von einem Relief geziert, auf dem Jesus mit den Emmaus-Jüngern zu sehen ist. Die Stiftsanlage im Osten der Republik gilt als das "Barockwunder" Brandenburgs. In einer halben Stunde werden die Mönche hier in der Kirche St. Mariae Himmelfahrt die Vesper beten.
Für das Bistum Görlitz, auf dessen Gebiet das ehemalige Kloster liegt, ist die Nachricht ein Paukenschlag. Ausgerechnet im kleinsten Bistum Deutschlands mit nur rund 28.000 Katholiken, das aber durch Zuzug steigende Katholikenzahlen vorweisen kann, soll ein neues Kloster gegründet werden. Nicht nur Neuzelle, auch viele andere Orte hätten gerne ein Kloster. "Wir haben Anfragen, die einen ganzen Ordner füllen. Aus fast ganz Europa kommen die", berichtet der Abt. Anfragen aus Italien, Serbien und Dänemark seien darunter gewesen. Und natürlich Anfragen aus Deutschland. Darunter seien auch große Klöster gewesen, die jetzt aufgelöst würden, wie Weingarten oder die Abtei Siegburg. "Da hat man zunächst bei uns angeklopft", sagt der Abt.
Neues Leben in eine "christliche Wüste" einpflanzen
Die Gemeinschaft habe sich jedoch dagegen entschieden, Klöster die gerade aufgelöst wurden, wieder zu besiedeln. "Die Gefahr ist groß, dass man in den gleichen Strudel gerät", sagt Maximilian Heim. Die Mönche von Heiligenkreuz beabsichtigen viel mehr dort ein Kloster zu gründen, wo eine "christliche Wüste" sei. Wo nichts oder nur wenig ist, sei es vermutlich einfacher, neues Leben einzupflanzen als dort, wo "alles schon katholisiert ist aber in einer Weise gelebt wird, die von einer großen Gleichgültigkeit begleitet wird." Und dann habe auch Bischof Wolfgang Ipolt mehrfach angefragt, ob die Mönche sich nicht des Klosters Neuzelle annehmen wollten.
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Mönche aus dem österreichischen Stift Heiligenkreuz bereisen derzeit Brandenburg. Sie prüfen, ob eine Neubesiedlung des Klosters Neuzelle funktionieren könnte. Bislang haben sie nur Gutes zu berichten.Nach vierzehn Tagen in der vermeintlichen Diaspora sind die Mönche erstaunt und erfreut über die große Offenheit, mit denen ihnen die Menschen hier begegnen. "Für viele hier sind wir so etwas wie eine Erscheinung aus fernen Zeiten, aber die Menschen spüren, dass etwas dahinter steht", berichtet Abt Maximilian. "In München werde ich im Ordensgewand auch wahrgenommen. Aber dort kommt eher auch mal ein spöttischer Kommentar. Das gibt es hier nicht. Hier gibt es echtes Interesse an uns", sagt Pater Kilian. Pater Simeon berichtet, dass die Zisterzienser in den vergangenen Tagen auch Einblicke in die jüngere Geschichte dieses Ortes bekommen hätten.
Zu DDR-Zeiten war in Neuzelle ein staatliches Lehrerseminar untergebracht. Mit antikirchlichen Aktionen waren regelmäßig die Wallfahrten in den 1950er Jahren gestört worden. Viele Christen in der DDR haben sich durch Schikanen dennoch nicht von ihrem Glauben abbringen lassen. "Wir haben viele Menschen kennengelernt, die den Glauben durch die Zeit durchgetragen haben. Auch ganz einfache Leute, die das mit allen Konsequenzen für ihr eigenes Leben durchgetragen haben. Das ist sehr beeindruckend", berichtet Pater Simeon. Auf deren Schultern könnten die Zisterzienser jetzt auch ein Kloster bauen. "Denn Neuzelle ist bereits ein geistliches Zentrum", sagt er.
Auch Kardinal Meisner liebt Neuzelle
Auch Abt Maximilian ist das wichtig. "Wir bauen darauf auf", sagt er. Viele Priester hätten zudem auch eine sehr persönliche, existenzielle Bindung an diesen Ort, weil hier bis 1993 eines von nur drei Priesterseminaren in der DDR war. "Von Kardinal Meisner weiß ich persönlich, was ihm der Ort bedeutet", erklärt Pater Simeon. Durch Mönche bekäme dieses geistliche Zentrum eine neue geistliche Dimension. Das sei dann nicht nur für Katholiken so, sondern auch für die vielen, "die weiter weg sind und denen wir dann zur Frage werden", sagt Pater Simeon, der bei der Neugründung zu den ersten sechs bis sieben Zisterziensern des neuen Konvents gehören würde. Die Zisterzienser haben im 13. und 14. Jahrhundert eine wichtige Rolle bei der Besiedlung Ostdeutschlands gespielt. Weite Teile Brandenburgs sind von Zisterziensern kultiviert worden. Fischzucht, Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Weinbau und Architektur sind durch den Orden in Brandenburg entscheidend geprägt worden. "Brandenburg ist fast so etwas wie ein Heimatland des Zisterzienserordens", sagt Abt Maximilian mit Blick auf die Geschichte.
Heute sind Mönche in Brandenburg wahre Exoten. Die Katholikenquote liegt hier an der Oder ohnehin bei nur rund zwei Prozent der Gesamtbevölkerung, von katholischen Ordensleuten ganz zu schweigen. Die Wahrnehmung der Ordensleute ist hier dementsprechend anders als in volkskirchlich geprägten Gegenden. In Eisenhüttenstadt habe eine Frau mit dem Auto extra angehalten, weil sie mit den Mönchen habe sprechen wollen, berichtet Pater Kilian. "Bei McDonald's haben wir einen Kaffee getrunken. Die Mitarbeiterin gelacht, weil sie meinte, wir seien kostümiert", sagt Pater Kilian. Sie sei nachher zu den Ordensmännern gekommen und habe sich entschuldigt. "Es ist schön, wie wir wahrgenommen werden, dass die Leute uns ansprechen", fügt Pater Simeon hinzu.
Die Vesper beten die fünf Ordensleute gemeinsam mit Pfarrer Florian in der barocken Marienkirche. In der ersten Reihe stehen die Mönche und beten Psalmen und singen auf lateinisch. Sieben Gäste in den Reihen dahinter sind an diesem Montagabend in die Kirche gekommen, um mitzubeten. Pater Meinrad stört es nicht, dass nur so wenige den Weg gefunden haben. "Hier sieht man zwanzig Leute in der Kirche. Das ist wenig. Aber es gibt hier im Ort halt nur zwanzig katholische Familien. In Österreich sehe ich zwanzig Leute in der Kirche. Aber es gäbe sechshundert katholische Familien im Ort, die in die Kirche kommen könnten", sagt Pater Meinrad. Die wenigen Katholiken seien hier "voll bei der Sache".
Entscheidung im November
Eine halbe Stunde später sitzen die Zisterzienser mit Pfarrer Florian beim Abendessen in der Klosterklause, dem Gasthof vor dem Kloster. Gerichte wie "Mönchsrolle" und "Mönchs-Brotzeit" und ein Schwarzbier namens "Schwarzer Abt" stehen hier auf der Karte. Abt Maximilian trinkt ein Klosterbier. Vieles in Neuzelle führt das "Kloster" im Namen, nicht nur das Bier und der Gasthof - obwohl es hier seit 200 Jahren keinen Konvent mehr gibt. "Es wäre schön, wenn auch Kloster drin ist, wo Kloster draufsteht", sagt Pfarrer Florian. Im Herbst soll sich entscheiden ob es so kommt. "Es geht um einen Ort für das Kloster. Die Mönche können nicht ins Pfarrhaus ziehen", erklärt der Abt.
Und es gehe um die wirtschaftlichen Grundlagen des Klosters, fügt der Prior hinzu. Dabei gehe es nicht darum, "Latifundien übertragen zu bekommen". Ideen seien vorhanden, Lösungen in Sicht. Vieles sei auch noch mit der Stiftung zu verhandeln, die das ehemalige Stift derzeit finanziert. Entscheiden wird das Kapitel in Heiligenkreuz über die Klostergründung, also die Vollversammlung aller Brüder mit ewiger Profess. Im November soll die Entscheidung fallen. "Wir wären aber jetzt nicht hier, wenn wir nicht glaubten, dass Neuzelle der richtige Ort ist", sagt Pater Simeon. Abt Maximilian fügt hinzu: "Es soll ein Kloster werden, dass sich entwickelt, das wachsen und größer werden kann. Es soll zu einem selbstständigen Kloster hin reifen und möglicherweise auch zu einer Abtei werden".