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Die katholische Kirche und der Missbrauch. Klartext.

Seit Monaten und Jahren wird über den massenhaften und weltweiten Missbrauch von Kindern durch Geistliche berichtet. Pastor Christian Olding kann da jeden verstehen, der der Institution Kirche den Rücken kehrt.

Video: © katholisch.de

Im Video-Format von katholisch.de wird Klartext gesprochen, statt um den heißen Brei herumgeredet. Pastor Christian Olding aus dem Bistum Münster kommentiert alle zwei Wochen dienstags auf katholisch.de aktuelle Themen aus Kirche und Gesellschaft. Olding macht dabei auch vor heiklen Themen nicht Halt. "Nur zu Weihnachten in den Gottesdienst?", "Christen und die Willkommenskultur?" oder "Die Rolle der Frau in der Kirche?" Mit "Klartext" gibt es neben dem "Standpunkt" ein weiteres starkes Meinungsformat auf katholisch.de.

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Das Video im Wortlaut:

Nach Monaten und Jahren, in denen über den massenhaften und weltweiten Missbrauch von Kindern durch Geistliche berichtet wurde, kann ich jeden verstehen, der dieser Institution den Rücken kehrt. Das Beschämende ist, dass die Institution Kirche denselben Horror an Sexualität-, Macht- und Seelenmissbrauch hervorgebracht hat, wie viele andere weltliche Institutionen auch. Das Dramatische und Beschämende dabei ist, dass Kirche sich leider allzu oft eine Position angemaßt hat, die ihr gar nicht zukommt und zu steht. Viel zu oft hat sie den Moralhochsitz gespielt, die "Besserwisser-Apotheke" gegeben und die "Lebensverurteilungsinstanz" ans Licht gebracht.

Wenn das dann auch noch durch ignorante und manchmal gnadenlose, immer aber machtversessene Kirchenfürsten geschieht und geschah, dann ist das unerträglich. Und pervers wird es dann, wenn das jahrelange systematische Verschweigen und Vertuschen der Kirche auch noch garniert wird, durch Schweigeminuten für die Opfer. Dann kann auch ich nicht anders als auf inneren Abstand zu dieser Institution zu gehen. Vor allen Dingen stellt sich für mich irgendwann die Frage nach der Verhältnismäßigkeit und der Angemessenheit der Reaktion auf diesen Missbrauch. Margot Käßmann hat ihr Amt niedergelegt für ein Glas Alkohol zu viel am Steuer. Hans Küng wurde die Lehrlaubnis entzogen für seine Kritik an der Kirche und für seine Lehre.

Auf die persönliche Konsequenz, von denen in den Bistümern Verantwortlichen für die Personalpolitik, auf die wartet man bis heute leider vergebens. Und immer noch scheint vielen Verantwortlichen in der Kirche nicht klar zu sein, wie sehr der sexuelle Missbrauch aufs Engste zusammenhängt mit dem, was Kirche grundsätzlich über Sexualität, Macht und Kontrolle denkt.

Hat doch die deutsche Missbrauchsstudie aufs Deutlichste gezeigt, dass die Täter eben keine pädophiliefixierten Priester waren, sondern vereinsamte Männer, die über Jahre und Jahrzehnte ihre Sexualität verdrängt haben. Und dann ihre Macht und ihr Amt missbraucht haben, um an das zu gelangen, was sie fälschlicherweise für Intimität hielten. Und damit haben sie sich strafbar und schuldig gemacht. Es gibt also kein Vertun: Die Kirche verrät gerade in jeder Hinsicht Theorie und Praxis des Christentums. Papst Franziskus hat ziemlich deutlich zu verstehen gegeben, was der Auftrag der Kirche ist. Sie hat an der Seite der Schwachen, der Entrechteten und der Opfer zu stehen. Und es ist Zeit, dass Kirche damit endlich ernst macht. Indem sie Macht und Kontrolle aufgibt, indem sie endgültig und bedingungslos ihre Personalakten öffnet und sich der Strafverfolgung der Täter stellt.

Und in dem die Kirche Konsequenzen in ihren eigenen Reihen zieht - personell wie inhaltlich. Es ist an der Zeit neu über Sexualität und Macht zu diskutieren, und zwar in aller Offenheit, ohne dass das Ergebnis und das Ende dieses Diskurses klar ist. Jetzt muss gehandelt werden, wenn noch ein Rest an Glaubwürdigkeit zu retten sein soll.