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Das Wort zum Sonntag spricht Wolfgang Beck
Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, immer mehr Menschen leben heute allein, das ist ein Phänomen hier in Frankfurt, aber auch in anderen großen Städten. Und auch auf dem Land steigt die Zahl der Singles. Das gehört zu den markanten Phänomenen moderner, westlicher Gesellschaften.
Allein sein: Wie gehen Menschen jetzt damit um? Zum Beispiel ein Bekannter, mit dem ich vor kurzem telefonierte. Er erzählte mir, dass er schon tagelang mit niemandem ein Wort gewechselt hat.
Oder eine Freundin, die auch alleine lebt: Sie ist bei Spaziergängen dazu übergangen, offensiv freundlich auch fremde Menschen zu grüßen und ihnen auf Abstand im Vorbeigehen Hallo zuzurufen. Es sind Menschen, die wie ich als Priester alleine leben – das jedoch mit ganz unterschiedlichen Hintergründen. Manche haben einen Partner oder eine Partnerin verloren. Hinter anderen liegen schmerzliche Trennungen und es prägt sie die große Sehnsucht nach einer dauerhaften Beziehung. Einige leben wie ich freiwillig allein, weil ihnen das besser entspricht oder sie damit eine spirituelle Ausrichtung verbinden.
Allen gemein ist wohl, dass sie die große Freiheit für ihre Lebensgestaltung genießen, aber immer wieder auch die schweren Seiten ihrer Lebensform kennenlernen müssen und manchmal damit hadern. Dann fällt es manchen schwer, die Wohnung in Ordnung zu halten. Oder Fernseher und Radio müssen permanent laufen, damit es nicht so still ist. Und es gibt gerade jetzt auch viele, bei denen das Alleinleben zu Einsamkeit und Traurigkeit wird.
Das Schwere am Alleinleben fällt gerade dann auf, wenn es anscheinend überall nur um die Situation der Familien geht. Beides gegeneinander auszuspielen bringt natürlich niemanden weiter. Auch in den Kirchen gibt es häufig so eine problematische Tendenz, neben dem Familienleben die anderen Lebensformen zu vergessen. Das ist manchmal richtig kurios. Denn auch in der Bibel gibt es nicht nur das Familien- und Gemeinschaftsleben. Paulus etwa ist so ein markanter Einzelkämpfer, Maria Magdalena vermutlich auch. Und von Jakob wird im Buch Genesis des Alten Testaments erzählt, dass er erst dann, als die ganze Sippe weg ist, so richtig mit Gott ringt. Das Alleinsein kann Menschen besonders massiv mit existentiellen Fragen konfrontieren. Auch die Suche nach Gott gehört dazu.
In England gab es schon vor der Corona-Pandemie ein eigenes Ministerium zum Umgang mit Einsamkeit in der Gesellschaft. Das Alleinleben ist ja nicht erst jetzt für viele eine Herausforderung, die zu schmerzlicher Einsamkeit führen kann. Hier in Frankfurt gibt es neben den Bürotürmen längst auch große Gebäudekomplexe mit kleinen Einzimmerwohnungen für Singles. Und da diese Lebensform auf die allermeisten Menschen in verschiedenen Lebensphasen zukommt, ist es gut, nicht immer so zu tun, als sei das eine Randerscheinung.
Ich selbst habe für mich ein paar Dinge gefunden, die mir bislang beim Alleinleben helfen: eine klare Tagesordnung, auch wenn das manchmal etwas spießig wirken kann. Ein täglicher Rhythmus von Gebetszeiten. Bewusstes Pflegen von Freundschaften – zur Zeit mit Telefonaten. Eine gestaltete Wohnung, in der ich mich wohl fühle, gehört auch dazu. Zu den Weisheiten des Klosterlebens, die auf den Heiligen Antonius im 3. Jahrhundert zurückgehen, gehört die Erkenntnis, dass ein Mensch es in seinem Zimmer, seiner Zelle oder Wohnung aushalten muss, wenn es mit dem Alleinleben klappen soll. Das hieße, dass ich nicht vor dem Alleinsein weglaufe, sondern versuche, es bewusst zu gestalten. Ich wünsche Ihnen dafür gute und tragfähige Ideen und einen gesegneten Sonntag!