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Das Wort zum Sonntag vom 08.08.2020 spricht Gereon Alter

Spot aus! Licht an!

Video: © Gereon Alter

Nun ist endlich mal wieder ein Notruf zu uns durchgedrungen. Von den Toten, Verletzten und Obdachlosen in Beirut. Jetzt machen sich wieder Helfer auf, um Leidenden und Hilfsbedürftigen beizustehen. Aber wie war das noch vor wenigen Tagen? Da ist unsere ganze Aufmerksamkeit von ein paar "Querdenkern" in Anspruch genommen worden. Von einer kleinen Gruppe, die auf die Straße gegangen ist, weil sie meinte, uns alle befreien zu müssen. Tagelang wurde darüber berichtet, und alles andere ist hinten rüber gefallen.

Haben Sie die kleine Meldung gelesen, dass im Darfur-Konflikt mittlerweile 300.000 Menschen niedergemetzelt worden sind? Denken Sie gelegentlich noch daran, dass in den syrischen Flüchtlingslagern immer noch Hunderttausende vor sich hinvegetieren? Ist Ihnen bewusst, dass nach wie vor etwa 800 Millionen Menschen unter Hunger leiden?
Deutschland rettungsbedürftig? Wie bitte?

Gemessen daran sind die Probleme, mit denen wir es in Deutschland zu tun haben, doch überschaubar. Und dennoch gelingt es einer kleinen Gruppe, sie derart verzerrt und übersteigert darzustellen, dass man meinen könnte, Deutschland sei das korrupteste und rettungsbedürftigste Land der Welt. – Wie bitte?

Wir haben eines der besten Gesundheitssysteme der Welt. Wir haben genug zu essen. Wir können unsere Meinung sagen – auch wenn sie noch so absurd klingt. Wir haben Medien, die im Großen und Ganzen einen ordentlichen Job machen und nun wirklich nicht "gleichgeschaltet" sind. Und wir haben eine Regierung, von der Menschen in vielen anderen Ländern nur träumen können und keine, "die uns eine Schlinge um den Hals legt", wie es immer wieder heißt.
Nicht von einer kleinen Gruppe vereinnamen lassen

Versuchen wir doch, mit den Füßen auf dem Boden zu bleiben und uns nicht in die Irre führen zu lassen. Und weiten wir unseren Blick über das hinaus, was uns eine kleine, ideologisch überdrehte Gruppe das wichtigste aller Probleme verkaufen will. Es gibt so viel, das wir ganz konkret tun können, um unsere Welt ein gutes Stück besser zu machen.

In meinem Freundes- und Bekanntenkreis beobachte ich, dass immer mehr genau das wollen und tun. Sie sind diese ideologisch aufgeladenen Diskussionen leid, diese zur Schau gestellte Empörung und dieses narzisstische um-sich-selber-Kreisen. Sie wollen sich an der Lösung von tatsächlichen Problemen beteiligen.
Konkretes tun, Gutes tun

"Ich hab mich als Wahlhelferin gemeldet", hat mir gestern noch eine Freundin gesagt. "Das habe ich noch nie gemacht. Aber jetzt habe ich einfach das Bedürfnis, etwas Konkretes für unsere Demokratie zu tun." Ich denke an die vielen Lehrerinnen und Lehrer, die sich in diesen Tagen den Kopf darüber zerbrechen, wie denn der Unterricht wieder aufgenommen werden kann – und sich dabei schlicht und einfach von der Frage leiten lassen, was die Kinder brauchen und was am besten funktioniert. Eine Gruppe in meiner Kirchengemeinde macht sich gerade jetzt wieder stark für Menschen in Afrika und Lateinamerika – eben weil sie aus dem Blick geraten sind und weil die Spenden eingebrochen sind.

Es gibt so viele Möglichkeiten, sich an der Lösung von Problemen zu beteiligen und sich nicht in ideologisch aufgeladene Diskussionen hinein ziehen zu lassen. Mir hilft dabei ein kleines Gebet, das ich schon seit vielen Jahren immer wieder mal spreche: "Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden."