Das Wort zum Sonntag vom 30.10.2020 - gesprochen von Lissy Eichert (kath.)
Eigentlich wollte ich nur mal einen Moment Ruhe haben. Nichts hören von Corona, nicht grübeln, ob ich meine Familie besuchen kann oder wie wir Weihnachten feiern werden. Die Nachbarkirche war offen, ich ging hinein – und dann das: Steht da doch tatsächlich "Corona“ unter einer Heiligenfigur.
Corona sapientiae timor domini. Die Krone der Weisheit ist die Gottesfurcht.
Ich bin irritiert. Gottesfurcht – so ein antiquiertes Wort. Sagt heute keiner mehr. Und ich mag es auch nicht besonders. Ich soll doch keine Angst haben vor Gott. Und ich habe auch keine.
In der Heiligen Schrift ist viel von Gottesfurcht oder von "Ehrfurcht vor Gott" die Rede. Und das hat nichts mit Angst oder Unfreiheit zu tun, sondern – mit Respekt. Mit Respekt vor einer unendlichen Liebe: "Gott ist die Liebe“, bezeugt die Bibel. Diese Liebe vertreibt die Furcht.
Freier von Angst werden. Mir hilft da Urvertrauen in das Leben. Die Freundschaft mit Gott. Wer sich auf das Leben einlassen kann, wer zu Gott "Du“ sagen kann wie zu einem Freund, einer Freundin, "entängstigt" sich. Im "Du-Sagen" schwingen die Gedanken und Gefühle weg von meinem Ich hin zum größeren Du Gottes. Weg vom ängstlichen Kreisen um mich selbst und meine Sorgen. Deshalb beginne ich ein Gebet oft mit der Frage: "Was denkst Du, Gott?"
Um zu entdecken, was Gott wichtig ist und wer ich bin, gehe ich gerne in eine Kirche oder in die Natur. Suche den Abstand vom Alltag. Ich staune über die Geheimnisse des Lebens. Und auch wenn ich so vieles nicht verstehe – ob Corona oder all das Leid der Welt – ich lerne die unverfügbare Größe Gottes zu respektieren. Wenn das mal keine mutige Irritation ist, so selbstbestimmt, wie ich gerne sein möchte…