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Das Wort zum Sonntag vom 26.12.2020 - gesprochen von Lissy Eichert (kath.)

Josef von Nazaret – der neue Mann?

Video: © Lissy Eichert

Zu Hause hatten wir eine selbstgebaute Krippe aus Holz. Einen Stall mit Maria, Josef und dem Jesuskind, mit Ochs, Esel, Hirten und Schäfchen. Im Mittelpunkt Maria, sie kniet vor dem Futtertrog, in dem ihr Neugeborenes liegt. Josef steht etwas im Abseits, irgendwie überflüssig herum. Ein Krippenszenario aus meiner Kindheit.

Inzwischen weiß ich: Der Mann an Marias Seite wird unterschätzt.
Eigentlich wollte der Zimmermann Josef mit seiner Verlobten eine gemeinsame Zukunft aufbauen. Eigentlich… Dann wurde Maria plötzlich schwanger - allerdings nicht von ihm. Josef will sich von ihr trennen. Doch da hat er einen Traum mit einer Botschaft: Er soll sich nicht trennen, weil da Gott im Spiel ist. Josef folgt seinem inneren Eindruck. Bleibt mit Maria zusammen, übernimmt Verantwortung, auch für das Kind. Er wird dem Kind zum sozialen Vater, würde man heute sagen. Er hat sich gekümmert.
Kurz nach der Geburt muss die junge Familie fliehen. Der machtgeile König Herodes will Jesus umbringen lassen. Im Traum wird Josef vorgewarnt – und so schafft er mit seiner Familie gerade noch rechtzeitig die Flucht ins Nachbarland.
Josef, der Handwerker, hat Geschichte geschrieben. Heilsgeschichte.
Hätte der Mann aufgegeben nach der geheimnisvollen Schwangerschaft seiner Liebsten, nach Herbergssuche, Flucht und Exil: Die Jesus-Geschichte wäre zumindest so nicht weitergegangen. Aber er ist drangeblieben – das fasziniert mich. Gott spricht, und Josef lässt sich darauf ein. Er stellt sich zur Verfügung.  Ist empfindsam seinem Gewissen gegenüber, das ihn – wie eine Nabelschnur – mit Gott verbindet.
Ein interessanter Mann, der es nicht nötig hatte, im Rampenlicht zu stehen. Was hat wohl ihm Zuversicht, innere Gewissheit gegeben? Ist es, weil Josef seiner Bestimmung gefolgt ist? Er hat Gott seine Mitarbeit angeboten. Deshalb konnte Gott durch ihn wirken  - inmitten aller Widrigkeiten. Vielleicht war ja auch "heiliger Trotz" dabei, jene Bockigkeit, wie sie in der Bibel steht: "Mag Krieg gegen mich toben, ich bleibe dennoch voll Zuversicht."
Dennoch dranbleiben. Josef hatte begriffen, dass Gott ihn genau in dieser Situation brauchte. Wie so ein Zusammenspiel zwischen Gott und Mensch funktioniert?  Ich denke, dabei kommt es auf die Offenheit an: dass ich mich in aller Zwiespältigkeit des Lebens offen halte für die Anwesenheit Gottes. Im Horchen auf die Stimme Gottes verliere ich mich nicht im Chaos,  sondern finde Halt in Krisen – denn Gott ist mit im Spiel.
Damit könnten vielleicht auch Väter von heute etwas anfangen, die – ähnlich dem  biblischen Josef – überrascht oder ratlos oder frustriert sind: Geduld und Umsicht sowohl mit der Partnerin als auch mit dem Kind tun sicher allen gut.
Und dem Leben trauen, weil Gott "mittenmang" ist, wie es ein Josef aus Berlin sagen würde.