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Das Wort zum Sonntag vom 20.02.2021 - gesprochen von Wolfgang Beck

Danke allen, die mit Ausdauer "stören"!

Video: © Dr. Wolfgang Beck

"Wenn nur die Leute nicht wären! Immer und überall stören die Leute. Alles bringen sie durcheinander."  So spottet der Dichter und Schriftsteller Enzensberger in einem Gedicht. Humorvoll nimmt er die allgemeine Haltung aufs Korn, dass es eigentlich ohne die Leute, die Anderen deutlich besser ginge im Leben und überhaupt. Ich finde, ohne sie wäre es fade und öde. In meiner katholischen Kirche scheint manch Bischof zurzeit auch zu denken: "Wenn nur die Leute nicht wären!" – Ständig fragen sie drängelnd nach, kritisieren andauernd, lassen ihrer Meinung freien Lauf. Schreiben Artikel und Kommentare und kritisieren die Kirchenstruktur, die einem selbst doch so vertraut ist. "Diese Leute" können ziemlich lästig sein. Und ich muss bei all dem gestehen, dafür bin ich richtig dankbar! Nur so kann sich etwas verändern, kann sich etwas verbessern.

Natürlich weiß ich, dass schon in den biblischen Texten immer wieder erzählt wird, wie Gott Menschen in besondere Dienste beruft. Mithilfe von Mose befreit er zum Beispiel sein Volk aus der Sklaverei. Mit Hilfe der Propheten und Prophetinnen bringt er sein Volk immer mal wieder in die richtige Spur. Und das sind alles keine Heldengeschichten. Mir gefällt, dass dieses Muster sich in meiner Kirche und ihrem Verständnis von Ämtern besonders erhalten hat: dass Gott sich schwache Typen aussucht, um durch sie den Menschen nahe zu sein. Moses war eigentlich ein Verbrecher. Die Propheten und Prophetinnen häufig Feiglinge, nicht selten auch korrupt. Immer wieder Typen wie zum Verzweifeln. Wer nicht direkt darunter zu leiden hat, kann es sogar sympathisch finden. Aber ich ahne schon, wie viele da angesichts der Kirche von heute aufstöhnen und sagen: "Die machen es mir mit ihren Skandalen, mit ihrer Männerwirtschaft und ihrer Unbelehrbarkeit ja besonders schwer, zu glauben." –  "Ohne dieses "Bodenpersonal" Gottes könnte ich mit der Kirche vielleicht noch etwas anfangen – aber mit ihnen? Nein, danke." Das denken derzeit wohl viele. Ich kann diesen Frust verstehen, wenn in Köln und an vielen anderen Stellen Vertrauen verloren geht, dann stehen wir Kleriker vielen einfach nur im Weg. Das ist fast tragisch, weil doch vermutlich jeder von ihnen – von uns – auch mal angetreten ist, um Menschen zu Gott hinzuführen anstatt ihnen im Weg zu stehen.
Ich kann ihnen versichern: Ich als Pfarrer und Christ kann mich schon sehr über andere ärgern. Auch über Bischöfe, wenn sie ein abgehobenes Amtsverständnis zeigen. Oder wenn sie herumlavieren, mithilfe von Juristen, um bloß keinen Fehler zugeben oder ihren Posten zur Verfügung stellen zu müssen.
Zugleich weiß ich natürlich, dass ich selbst für Andere auch ein Ärgernis bin. Ich störe ja mit meiner Schwäche auch Menschen auf ihrem persönlichen Weg. Das muss ich ehrlich auch bei mir selbst sehen. Das ist sehr bitter!
Dieser realistische Blick auf mich selbst ist vielleicht ein ganz guter Impuls für die Fastenzeit, die gerade angefangen hat. Und gleichzeitig kann ich mich mit der Haltung mancher Bischöfe nicht abfinden, wenn sie tricksen und schummeln statt aufzuklären und sich ernsthaft um Menschen zu kümmern, die zu Opfern wurden. Deshalb bin ich allen dankbar, die immer wieder laut sagen, dass es so nicht weitergeht. Vielleicht ist auch das einfach mal dran: Ich sage einfach mal ganz herzlich all denen Danke, die die Kirche nicht verlassen und die unermüdlich in ihr für notwendige Unruhe sorgen. Danke allen, die als Journalisten und Journalistinnen oder in den kirchlichen Gremien und initiativen beständig für Reformen eintreten und sich nicht leicht aus der katholischen Kirche herausdrängen lassen. Danke all denen, die unbequem sind und – wo nötig – stören.