Das Wort zum Sonntag vom 24.04.2021- gesprochen von Lissy Eichert
Je länger die Krise, desto schärfer der Ton. Heftige verbale Attacken schon bei kleinsten Anlässen; Hass im Internet; Politiker, die sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe schieben. Mich schockt, wie versucht wird, Andersdenkende einzuschüchtern, wenn etwa Privatadressen veröffentlicht oder Haustüren demoliert werden. Ein Freund von mir hatte zu einer Demonstration für Reformen in seinem Herkunftsland aufgerufen. Seitdem wird er mit anonymen Anrufen bedroht.
Und dann die gereizte Stimmung zuhause: Homeoffice funktioniert "super", wenn die Vierjährige die Ansage "Nicht stören, Mama muss arbeiten" fröhlich ignoriert und mit ihren Buntstiften Mamas Arbeitsunterlagen verziert.
Alles nur schrecklich?
Ja, wir müssen mit vielem fertig werden. Und nein, es ist nicht alles nur schrecklich. Es gibt Solidarität. Frauen und Männer, die ihre Sorgen und ihre Kräfte teilen, Probleme gemeinsam anpacken. Und medizinisches Personal, das alles gibt.
Dennoch: Erschöpfung macht reizbar. Jetzt bloß keine "heißen Eisen" ansprechen, sonst knallt´s.
Und natürlich knallt es. Weil Konflikte zum Leben gehören. Nicht sie sind das Problem, sondern wie wir mit ihnen umgehen. Wenn die Nerven blank liegen, tut mir Abstand vom Problem gut. Mal einen Schritt zur Seite treten und durchatmen. Um Konflikte zivilisiert, also Menschen würdig, auszutragen: mit Respekt, Taktgefühl, und vor allem – gewaltfrei: mein Gegenüber nicht mit Totschlag-Argumenten niederknüppeln.
Miteinander reden und nicht aus Angst schweigen. Nicht klein beigeben, nur weil der Klügere – angeblich – nachgibt. Rückgrat muss man schon haben. Und die Argumente der anderen erst einmal verstehen.
„Nicht, dass ich verstanden werde, sondern dass ich verstehe“, heißt es in einem meiner Lieblingsgebete.
Andere Blickwinkel zulassen
Es ist die Bitte um einen göttlichen Geistesblitz: dass Gott mir den Blick öffnet, mich frei macht, um wenigstens verstehen zu wollen, was mein Gegenüber bewegt. Weg vom Ich, hin zum Du. So ein Perspektivwechsel kann Wunder wirken. Etwa, dass es nicht mehr so wehtut, wenn andere halt anders ticken. Missverständnisse könnten aufgedeckt werden. Manchmal schauen wir doch nur aus verschiedenen Richtungen auf das Problem. Mit anderen Worten: "Eine Wahrheit über die Katzen erfährst du – von den Mäusen." Einander tiefer zu verstehen, kann einen Konflikt entschärfen. Und vielleicht ist ja eine pfiffige Idee - ein göttlicher Gedanke - dabei?
Mit dem Gebet, das Franz von Assisi zugeschrieben wird, wünsche ich uns allen einen friedvollen Sonntag. Er sagt:
"Nicht, dass ich verstanden werde, sondern dass ich verstehe.
Nicht, dass ich getröstet werde, sondern dass ich tröste.
Nicht, dass ich geliebt werde, sondern dass ich liebe."