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Das Wort zum Sonntag vom 02.10.2021
Manche Gespräche können einem ordentlich "auf den Zeiger" gehen, liebe Zuschauer und Zuschauerinnen. Total anstrengend! Nervig! Wenn es laut wird und gestritten wird, manchmal um Kleinigkeiten. Dann gehen die Emotionen hoch, das Geschrei ist groß.
Vermutlich kennen das viele, wenn mit Teenagern in der Familie auszuhandeln ist, zu welcher Uhrzeit man zuhause sein sollte. Streit in der Beziehung, in Ehe und Familie – jeder hat da eigene Erlebnisse. Schnell eskaliert so eine Situation. So richtig heftig wird es aber nicht da, wo geschrien und heftig gestritten wird. Schlimm wird es, wo einer gar nichts mehr sagt und nicht mehr bereit ist, mit den anderen zu ringen. Dann sagt er damit: Du bist mir nicht mal mehr die Aufregung wert. Ich schalte "auf stur" und es ist mir egal, wenn unsere Wege sich trennen. Dann wird schnell klar: selbst das Schreien und Streiten ist noch besser als das Schweigen, mit dem sich Menschen abschotten und aus dem Weg gehen.
Das gilt nicht nur für die politischen Gespräche, die wir alle wohl in den nächsten Wochen zwischen den Parteien in Berlin beobachten werden. Das gilt gerade in diesen Tagen auch für meine katholische Kirche. Wieder einmal kommen Frauen und Männer, Bischöfe und Pfarrer in Frankfurt zusammen und streiten darüber, was sich in der Kirche gerade aufgrund der Missbrauchs- und Vertuschungsskandale ändern muss. Es geht eben nicht an, dass eine Kirche Frauen systematisch benachteiligt. Dass Bischöfe ohne ernstzunehmende Kontrolle schalten und walten können. Dass immer noch gemeint wird, man könne Menschen in unterschiedlichen Lebensformen herabwürdigen und den Klerus wie eine Sonderwelt mit den Regeln von Günstlingswirtschaft absondern.
Ich finde dieses Ringen miteinander manchmal ermüdend, weil die notwendigen Entscheidungen doch schon "zig mal" diskutiert wurden und die Argumente längst auf dem Tisch liegen. Und doch müssen wieder hunderte Seiten mit Stellungnahmen geschrieben werden? Die Beteiligten dieser kräftezehrenden und nervenden Auseinandersetzungen dürften ahnen, was ein Freund vor einigen Tagen mit Blick auf die Entwicklung der katholischen Kirche gesagt hat: "Nichts wird sich da ändern. Und weil sich nichts ändert, wird sich alles verändern!" Das fasst ganz gut zusammen, dass diejenigen, die alle Änderungen verhindern, am Ende womöglich die größten Veränderungen bewirken.
Das ahnen ja längst auch die Politiker*innen. Auch da sehen die meisten im Blick auf die Klimakrise längst: Wenn wir keine unbequemen Entscheidungen treffen, wird es mehr als unbequem. Dann bleibt überhaupt nichts, wie es war.
Bei den notwendigen Reformen, egal ob es um die Kirche oder um die großen politischen Fragen der Klimakrise geht, wird sichtbar: nichts zu entscheiden, nur zu beschwichtigen und abzuwarten, ist auch eine Entscheidung – aber eine, die alles gefährden wird.
Papst Franziskus scheint das verstanden zu haben und hat bei allem Streit darum den Wert eines Synodalen Weges erkannt. Er möchte, dass in einem ähnlichen weltweiten Prozess ab Oktober um die dringend anstehenden Fragen gerungen wird. Er macht klar, dass dieses Ringen zum Wesen der Kirche und ihrer Tradition gehört und ganz und gar nichts Neues ist.
Hauptsache, es wird nicht geschwiegen und dann auch entschieden.