"Die deutsche Kirche als Buhmann"
Frage: Pater Jeremias, warum sind Sie als Abtpräses überhaupt bei der Familiensynode im Herbst mit dabei?
Schröder: Das Sekretariat der Bischofssynode hat die Vereinigung der Generaloberen gebeten, zehn Mitglieder in die Synode zu entsenden. Die Generaloberen haben bereits im November vergangenen Jahres auf ihrer jährlichen Versammlung in Rom gewählt. Und einer der zehn Gewählten bin ich.
Frage: Können Ordensleute wie Sie im Gegensatz zu Bischöfen und Kardinälen noch einmal einen anderen Beitrag zur Synode leisten?
Schröder: Ich kann vielleicht vorwegschicken, dass es auch Ordensfrauen gibt, die an der Synode teilnehmen werden. Das ist wichtig, da das Thema Ehe und Familie ja Frauen wie Männer gleichermaßen betrifft. Der besondere Wert der Ordensleute liegt aber auch darin, dass sie sich in vielen Bereichen betätigen, die nah am Leben der Familien sind. Das ist nicht immer die Pfarreipastoral, sondern auch das Schulwesen, das sind Kindergärten und Krankenhäuser. Also Orte, an denen häufig Grenzsituationen für Familien auftreten. Die Generaloberen der Orden, die an der Synode teilnehmen, sind außerdem für viele Länder und Kontinente zuständig. Sie vertreten daher nicht nur ein Regionalinteresse oder haben nur regionale Probleme im Blick, sondern denken von vornherein globaler. Das unterscheidet sie vielleicht von einem Diözesanbischof.
Frage: Die deutschen Katholiken beschäftigen vor allem die Themen "Wiederverheiratete Geschiedene" und "Homosexualität". Haben Sie die Diskussionen verfolgt?
Schröder: Ich habe versucht, halbwegs auf dem Laufenden zu bleiben. Ich werfe allerdings auch immer wieder einen Blick über die Grenzen Deutschlands hinaus und beobachte, wie andere Länder darauf reagieren. Dabei hat mich manchmal schon erschreckt, wie sehr diese Themen polarisieren und wie sehr die deutsche Kirche als Buhmann gezeichnet wird. Vor allem in konservativen Kreisen wird es so dargestellt, dass die deutsche Kirche mit ihren finanziellen Möglichkeiten die kirchliche Lehre umkrempeln oder von innen aushöhlen will. Das sind ganz unerfreuliche Töne. Ich hoffe, dass wir bei der Synode aus diesen Gegensätzen herauskommen.
Frage: Ein weiterer Vorwurf lautet, dass diese Themen eigentlich nur Deutschland oder Westeuropa betreffen. Was beschäftigt denn die Kirche in anderen Teilen der Erde?
Schröder: Wir Missionsbenediktiner sind stark in Afrika aktiv. Und da geht es beispielsweise noch immer darum, die christliche Ehe zu etablieren und als etwas zu formulieren, das sich von der traditionellen Stammes- oder Vielehe unterscheidet. Deshalb bestehen die Bischöfe dort auch auf einigen Prinzipien, die auf anderen Kontinent schon wieder aufgeweicht werden. Ein anderes Beispiel ist Kuba. Da bin ich selbst immer wieder und erlebe, dass Kinder und Jugendliche sehr selten aus klassischen Eheverhältnissen stammen. Stattdessen haben die Mütter etliche Kinder von verschiedenen Vätern. In dieser schwierigen Familiensituation wird es kaum helfen, wenn die Kirche dort große Normen vorlegt. Stattdessen müssen wir uns überlegen, wie wir das Evangelium auch in diese gebrochene Situation hinein verkünden können.
Frage: Das sind nun alles ganz unterschiedliche Probleme. Kann man auf der Bischofssynode überhaupt auf einen gemeinsamen Nenner kommen?
Schröder: Da bin ich sehr gespannt. Ich habe selbst bisher noch keine Synodenerfahrung, glaube aber, dass die ganze Kirche auf ein produktives Ergebnis wartet. Ich bin mir aber nicht sicher, ob es nachher genau das Ergebnis ist, das sich die Kirche in Deutschland wünscht. Vielleicht gelingt es aber auch, eine andere Ebene zu finden, auf der man sich verständigen kann. Indem man zum Beispiel zu dem Schluss kommt, dass unterschiedliche Ansätze in einer globalisierten, weltweiten Kirche notwendig sind und respektiert werden müssen. Das hängt einerseits sehr stark davon ab, in welche Richtung Papst Franziskus gehen will. Andererseits hoffe ich, dass auch Gottes Geist uns den Weg weist, damit wir aus teilweise banal konstruierten Gegensätzen herauskommen und angemessen mit den großen, schweren Themen umgehen können. Es geht ja um Probleme, die so viele Menschen auf dieser Welt betreffen.
Frage: Wie beurteilen Sie die Position der deutschen Kirche zum Thema Ehe und Familie?
Schröder: Das, was ich bisher von den deutschen Bischöfen und der Ordensobernkonferenz gesehen und gehört habe, scheint mir sehr plausibel. Ich lebe in Deutschland, bin hier aufgewachsen und verstehe viele der Anliegen und Nöte, die da sind. Aber es ist eben auch eine komplexe Situation, die nicht überall verstanden wird. Und ich ahne, dass die daraus resultierenden Lösungsansätze nicht automatisch in der restlichen Welt funktionieren. Deshalb gefällt mir die Idee einer versöhnlichen Verschiedenheit in der Kirche, so dass auf unterschiedliche Familiensituationen mit dem jeweils richtigen pastoralen Konzept reagiert werden kann.
Themenseite: Familiensynode
Theorie trifft Praxis: Über zwei Jahre beraten Bischöfe und Laien im Vatikan über die "pastoralen Herausforderungen der Familie". Das ist ein höchst brisantes Thema, bei dem die Vorstellungen der Kirche und die Lebenspraxis ihrer Gläubigen zunehmend auseinanderdriften.Frage: Also pastorale statt lehramtliche Lösungen?
Schröder: Das hängt natürlich auch von den Vorschlägen ab. In erster Linie hoffe ich darauf, dass man voneinander lernen und sich gegenseitig bereichern kann. Ich bin aber für alles offen.
Frage: Sitzen Sie bei der Synode mit den deutschen Bischöfen oder den anderen Generaloberen zusammen?
Schröder: Wie man so hört, sitzen wir Ordensoberen in der letzten Reihe ganz oben zusammen – und damit über dem Geschehen und mit gutem Überblick, wenn man so will.
Frage: Werden Sie denn das Gespräch mit den deutschen Bischöfen suchen und sich abstimmen?
Schröder: Ich bin kein Vertreter der Deutschen Bischofskonferenz, sondern gehe als Ordensoberer einer weltweit tätigen missionarischen Gemeinschaft dorthin. Ich habe Kardinal Reinhard Marx aber geschrieben, dass ich bei der Synode sein werde und nehme dort auch gerne Gelegenheiten zu Gesprächen wahr. Wir sprechen ja die gleiche Sprache. Es kann also nicht schaden.