Erwartungs-Management vor der Synode
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Einige Bischofskonferenzen heizten die Debatte weiter an, indem sie Fragebögen und Antworten im Netz veröffentlichten. Erstmals nutzten sie das Internet in einer Streitfrage als kirchenpolitisches Instrument. Das Resultat der Umfrage: Zwischen der Morallehre und der Praxis der Gläubigen klafft in manchen Ländern ein Abgrund. Und der wird von vielen Gläubigen nicht als Sünde verstanden, vielmehr stellen sie ihrerseits die kirchliche Lehre infrage.
Öl ins Feuer
Damit wiederum kam Öl ins Feuer konservativer Bischöfe. Die eklatanten Abweichungen der Gläubigen von der kirchlichen Norm seien ein Armutszeugnis für die Bischöfe in Deutschland und anderswo, hieß es in ihrem Lager, unter anderem von den Kardinälen Raymond Burke und Walter Brandmüller. Wenn es Oberhirten nicht gelinge, die Lehre zu vermitteln, dann dürfe die Folge nicht sein, dass man die kirchlichen Lehrpositionen aufgibt. Eine neue Ebene war erreicht: Aus der Suche nach klugen pastoralen Entscheidungen drohte eine Frage von Wahrheit oder Irrtum, Glaube oder Häresie zu werden.
Als dann im Februar 2014 Kardinal Walter Kasper in Rom vor den versammelten Kardinälen darlegte, dass Scheidung und zweite Ehe nicht unbedingt zum Ausschluss von den Sakramenten führen müsse, schienen Dämme zu brechen. Eine heftige Debatte folgte, zunächst hinter verschlossenen Türen, später über die Medien.
Der so vorgeheizte Kessel Synode stand also unter Druck, als sich die Vorsitzenden aller Bischofskonferenzen im Oktober 2014 trafen. Die dreiwöchige Versammlung wurde turbulent. Aus einem "Zwischenbericht" lasen viele heraus, die außerordentliche Synode begrüße das Lebensmodell homosexueller Paare. Auch beim Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen schien sich die Position der Reformer durchzusetzen. Der konservativere Flügel witterte Manipulation und sorgte am Ende in Kampfabstimmungen dafür, dass ins Abschlussdokument deutlich vorsichtigere Formulierungen kamen. Doch dann war es wiederum Franziskus, der den Ball in Bewegung hielt.
Franziskus will die Transparenzoffensive
Er ordnete an, alle einzelnen Abstimmungsergebnisse im Detail zu publizieren - ein aufsehenerregender Beitrag zur Streitkultur im Vatikan. Als er dann weltweit neue Fragebögen zur Vorbereitung der zweiten Familiensynode im Oktober 2015 verschicken ließ, fiel freilich die Resonanz schwächer aus. Die Fragen waren weniger lebensnah als beim ersten Mal. Fast schien es, als wolle er dem Streit ein wenig die Schärfe nehmen. Auch in Interviews hielt sich der Papst sichtlich zurück.
Umso aufmerksamer verfolgen seitdem Konservative und Reformer, was das jeweils andere Lager tut und sagt: In Interviews und Predigten, und immer wieder in Zusammenkünften mit Gleichgesinnten.
Buchveröffentlichungen auf beiden Seiten kamen hinzu, wobei jüngst der Verlag Herder fast zeitgleich das Buch "Ehe und Familie" mit Artikeln elf konservativer Kardinäle publizierte und die "Theologie der Liebe" herausbrachte, in der reformorientierte Bischöfe und Theologen sich zu Wort melden.
Erwartungen, Hoffnungen und der Schatten der Spaltung
Kardinal Reinhard Marx bemüht sich unmittelbar vor der Synode darum, die Erwartungen der eher liberalen deutschen Öffentlichkeit deutlich herunterzuschrauben. Die Synode werde keine Revolution beschließen, sagt er. Und: Es dürfe nicht Sieger und Besiegte geben. Aus Begegnungen mit afrikanischen, US-amerikanischen und polnischen Mitbrüdern weiß er, dass der Widerstand gegen eine Liberalisierung bei den Themen Scheidung und Homosexualität Kontinente übergreift und dass die Konservativen nicht bereit sind, Positionen kampflos zu räumen.
Mit anderen Reformern steht Marx in einem Dilemma: Sie wollen die Kirche nicht in eine Spaltung treiben, zugleich aber haben sie die Hoffnung geweckt, dass sie mit substanziellen Ergebnissen aus Rom zurückkommen werden. So wichtig wie das Erwartungs-Management im Vorfeld wird daher im Anschluss an die Synode das Ausdeuten der Beschlusslage werden.