Es ist nicht immer Ehebruch
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Die Debatte rund um "Amoris laetitia" ist müßig. Kardinäle kritisieren den Papst. Kirchenrechtler kritisieren die Kardinäle. Es geht darum, wer wie loyal ist. Ist Franziskus loyal gegenüber dem kirchlichen Lehramt? Und sind die Kardinäle loyal gegenüber dem Papst? Aber im Papierkrieg aus Interviews und Briefen bleibt einer erneut auf der Strecke: der Gläubige.
Denn der kann – egal ob wiederverheiratet oder nicht –, größtenteils nicht verstehen, was das alles mit ihm und vor allem mit der Realität zu tun hat. Während man im Elfenbeinturm wieder einmal über Lehrschreiben und Traditionen fachsimpelt, wird ausgeblendet, was etwa die Umfragen im Vorfeld der Familiensynode ergeben haben. Nämlich dass sich so gut wie niemand mehr an die Lehre der Kirche hält.
Doch der Papst setzt sich mit der Realität auseinander. Und die sieht so aus: Immer mehr Menschen lassen sich scheiden und heiraten erneut. Häufig wird dabei keiner der (Ex-)Partner verletzt, weil die Gefühle bereits lange vorher erloschen sind. Dafür entstehen neue, verlässliche Beziehungen mit Kindern, in denen christliche Werte gelebt werden. Hier kann es sich schlicht und einfach nicht um den in der Bibel beschriebenen "Ehebruch" handeln – und auch nicht um eine dauerhafte, schwere Sünde. Deshalb kommt es auf den Einzelfall an. Und der Papst weiß das aus seiner langen Zeit als Seelsorger.
Darüber hinaus hatte die Nicht-Zulassung Wiederverheirateter zur Kommunion schon vor "Amoris laetitia" meist eine dieser beiden Konsequenzen: Entweder geht man dennoch zur Kommunion und der Priester sieht weg. Oder: Man geht nicht mehr zur Kommunion und wendet sich von der Kirche ab. Die Eucharistie – den Mittelpunkt des Christseins – als Druckmittel zu verwenden, um eine gescheiterte Ehe vielleicht doch noch aufrecht zu erhalten, funktioniert dagegen schon lange nicht mehr. Wen oder was will man also schützen? Die Ehe, die Kirche oder gar Gott persönlich? Eher unwahrscheinlich.
Der Papst geht deshalb nun neue Wege. Die können durchaus auch Angst machen. Denn was nicht mehr bis ins Letzte durchreglementiert ist, ist anfälliger für Fehler und überträgt die Verantwortung vom System auf den Einzelnen. Auf Bischöfe, die nun Leitlinien für die Pastoral entwickeln müssen. Auf Seelsorger, die die Wiederverheirateten nun begleiten sollen statt einfach bei der Kommunionausteilung Augen und Ohren zu schließen. Und letztlich auch auf die Wiederverheirateten, die sich nun noch viel intensiver mit sich und ihrer Gottesbeziehung auseinandersetzen müssen.