Deutschlands Botschafterin beim Vatikan verlässt Rom

Arrivederci Papa Francesco! Annette Schavan geht

Veröffentlicht am 30.06.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Arrivederci Papa Francesco! Annette Schavan geht
Bild: © KNA
Diplomatie

Annette Schavan war die wohl unkonventionellste Botschafterin, die Deutschland je beim Papst vertreten hat. Nach vier Jahren endet nun ihre Amtszeit. Viele trauern ihr nach.

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Annette Schavan war die bekannteste und wohl auch unkonventionellste deutsche Botschafterin; und sie war die erste Frau, die beim Vatikan die Bundesrepublik vertrat. Wenn die frühere Bundesbildungsministerin nun nach vier Jahren ihren Posten als deutsche Botschafterin beim Heiligen Stuhl abgibt, trauern ihr in Rom viele nach. Denn die Katholikin Schavan war in der Ewigen Stadt offensichtlich in ihrem Element. Die frühere Bundesbildungsministerin und CDU-Politikerin hat die deutsche Botschaft weit stärker noch als ihre Vorgänger zu einer Plattform für den Austausch zwischen Kirche, Politik, Diplomatie und Medien gemacht. Schavans schmerzhafte Vergangenheit, die Aberkennung ihres Doktortitels und ihr Rücktritt als Bundesbildungsministerin 2013 waren in Rom bald kein Thema mehr, Schavan ließ sich davon zumindest nichts mehr anmerken.

Macherin und Moderatorin

Dinge möglich zu machen, die zuvor unmöglich schienen - so definierte Schavan einmal die Aufgabe einer Botschafterin. Das hat wenig mit dem zu tun, was angehende Diplomaten an der Diplomaten-Akademie lernen, aber viel mit dem, wie Schavan ihr Amt verstand und wie sie es auch ausgeübt hat: als Macherin und Moderatorin. Ihr politisches Gen konnte und wollte sie auch in Rom nicht verleugnen.

Bild: ©dpa/Lars Halbauer

Der Eingang der Deutschen Botschaft beim Heiligen Stuhl im römischen Stadtviertel Parioli.

Waren Schavans Vorgänger bei römischen Konferenzen in der Regel Zaungäste, war sie Mitorganisatorin. Ob eine Tagung mit dem Päpstlichen Institut für Islamkunde über den interreligiösen Dialog, eine Podiumsdiskussion über das Wirtschaftskonzept von Franziskus oder eine Vortragsreihe mit deutschen Gästen an der Päpstlichen Universität Gregoriana: Wo immer es sich anbot, war Schavan mit von der Partie. Dabei kamen der früheren CDU-Politikerin die Kontakte aus ihrer Zeit als Ministerin und Bundestagsabgeordnete oft zugute.

Zunächst schien ihr römischer Aufenthalt unter keinem guten Stern zu stehen. Die Berufsdiplomaten im Auswärtigen Amt protestierten gegen die Entsendung einer Quereinsteigerin aus der Politik ohne akademischen Abschluss, die offensichtlich von Bundeskanzlerin Angela Merkel auf diesen Posten gehievt worden war. In kirchlichen Kreisen fragten sich manche, ob das ehemalige Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken an der konservativen römischen Kurie wohl gut ankommen würde. Doch solche Bedenken lösten sich schnell in Luft auf. So mancher Gesprächspartner Schavans in Rom dürfte sich mittlerweile fragen, ob es nicht eine gute Idee wäre, häufiger einmal Quereinsteiger aus der Politik als Botschafter beim Heiligen Stuhl zu berufen. Und auch im Vatikan waren keine Vorbehalte erkennbar: Kardinal Gerhard Ludwig Müller und zahlreiche andere Kurienmitarbeiter zählten zu den regelmäßigen und gern gesehenen Gästen in der Botschaft. Schavan war eine geschätzte Gesprächspartnerin. Als Theologin wusste sie, worum es ging; sie war mit Leidenschaft bei der Sache. Das kam auch bei vielen Geistlichen in Rom gut an.

Schavan hat sich stets als Botschafterin im doppelten Sinne verstanden: Am Heiligen Stuhl vertrat sie die Interessen der Bundesrepublik Deutschland, in Deutschland die Anliegen von Franziskus. In Vorträgen und Podiumsdiskussionen warb sie landauf landab unermüdlich für diesen Papst und erklärte ihren Landsleuten, wie der erste Südamerikaner auf dem Stuhl Petri tickt.

Ihr größter Coup

Nicht ohne Ironie ist, dass der Quereinsteigerin Schavan ausgerechnet im diplomatischen Kerngeschäft einer ihrer größten Coups gelang: Die Aufnahme voller diplomatischer Beziehungen zum Malteserorden. Das Auswärtige Amt hatte sich lange dagegen gesperrt, weil dieser geistliche Ritterorden zwar als Völkerrechtssubjekt gilt, aber eben doch kein Staat im klassischen Sinne ist. Hinzu kam in Berlin die Sorge, damit einen Präzedenzfall für andere zu schaffen, etwa das Rote Kreuz. Mit viel Überzeugungsarbeit gelang es Schavan schließlich, dass Bundesaußenminister Sigmar Gabriel  und Großkanzler Albrecht von Boeselager im November 2017 ein Abkommen zur Aufnahme unterzeichneten. Dieser Akt hatte zwar kaum unmittelbare Konsequenzen, aber Symbolkraft.

Für die Korrespondenten deutscher Medien in Rom war Schavan ein Glücksfall. Sie organisierte nicht nur mehr Vorträge und Konzerte mit anschließendem Buffet als ihre Vorgänger, die Journalisten eine zwanglose Kontaktaufnahme mit Kurienmitarbeitern ermöglichten. Sie setzte sich auch über die Gepflogenheit hinweg, solche Abendveranstaltungen bereits zwischen 21 und 22 Uhr zu beenden. Die Berufsdiplomaten vor Schavan begaben sich um diese Zeit stets zum Ausgang und signalisierten ihren Gästen damit, dass sie ihren Wein jetzt bitte schnell austrinken und ihre Gespräche beenden sollten. In Frau Schavans' Ägide endete keine Abendveranstaltung vor 23 Uhr. Und wenn sich die Reihen lichteten, lud Schavan die noch Verbliebenen regelmäßig auf einen letzten Wein ein. Hierbei wurde dann manch offeneres Wort gesprochen. So wie es im politischen Betrieb in Berlin üblich ist.

Linktipp: Schavan verabschiedet sich "swingend" aus Rom

Vom Ministeramt über die Plagiatsaffäre zur Diplomatin: Vier Jahre lang war Annette Schavan deutsche Botschafterin beim Heiligen Stuhl. Nun hat sie sich verabschiedet.

Die Krönung ihres Ausflugs in die Diplomatie blieb Schavan allerdings verwehrt. Sie schaffte es zwar, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel dreimal während ihrer Amtszeit zum Papst nach Rom kam. Aber aus einem Deutschland-Besuch von Franziskus, für den sich Schavan nachdrücklicher einsetzte, als viele andere, wurde nichts.

Unbekannt, wie es weitergeht

Die "Via dei Tre Orologi" (Straße der drei Uhren), in der Schavan in Rom residierte, ist eine Sackgasse - und das nicht nur für Autos. Traditionell ist die Botschaft beim Heiligen Stuhl Endstation einer Diplomatenkarriere. Der Posten zählt zu den prestigeträchtigsten und höchstdotierten Botschafterstellen. Wie es mit Schavan weitergeht, ist derzeit nicht bekannt. Schavans zeitweilige Ambitionen auf den Vorsitz der Konrad-Adenauer-Stiftung wurden von ihrem Parteifreund Norbert Lammert zunichte gemacht, der an die Spitze der CDU-nahen Stiftung gewählt wurde. Aber Annette Schavan dürfte sich mit ihrem Weggang aus Rom dennoch nicht schon im Alter von 63 Jahren in den Ruhestand verabschieden.

Von Thomas Jansen