Landesregierung kritisiert Bundestagsbeschluss als "Hauruck-Aktion"

Bayern lässt Gutachten zur "Ehe für alle" erstellen

Veröffentlicht am 05.09.2017 um 15:30 Uhr – Lesedauer: 
Politik

München ‐ Plötzlich ging es ganz schnell: Der Bundestagsbeschluss für die "Ehe für alle" gilt in CSU-Kreisen als "Hauruck-Aktion". Die bayerische Landesregierung prüft nun das Gesetz - und eine mögliche Klage.

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Die Bayerische Staatsregierung hat ein juristisches Gutachten bezüglich des Gesetzes zur "Ehe für alle" in Auftrag gegeben. Wie die Staatskanzlei am Dienstag in München mitteilte, wurden damit die Juristen Ferdinand Wollenschläger von der Universität Augsburg und Dagmar Coester-Waltjen von der Universität Göttingen beauftragt.

Wollenschläger, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, berät als Sachverständiger zahlreiche Landesparlamente, Bundestag und Bundesrat sowie das Europäische Parlament und die Europäische Kommission. Er soll sich der Frage der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes annehmen. Coester-Waltjen, ausgewiesene Expertin im Internationalen Familienrecht, wurde mit der vergleichenden Prüfung der internationalen Rechtslage beauftragt.

Darüber informierten Staatskanzleichef Marcel Huber und Justizminister Winfried Bausback (beide CSU) das Kabinett. Huber sagte, der Bundestag habe das Gesetz zur "Ehe für alle" in einer Art "Hauruck-Aktion" beschlossen, obwohl es im Hinblick auf den besonderen Schutz von Ehe und Familie verfassungsrechtlich umstritten sei. Dies habe zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit in der Bevölkerung geführt. Um Klarheit zu schaffen, sei nun ein renommierter Verfassungsrechtler beauftragt worden.

Linktipp: Verfassungsklage zur "Ehe für alle"?

Mit einer Verfassungsklage zur "Ehe für alle" rechnen sowohl ZdK-Präsident Thomas Sternberg als auch Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer (CSU). Das Gesetz sei nicht so harmlos, wie es scheine. (Artikel vom Juni 2017)

Bausback führte aus, dass außerdem überprüft werden solle, wie in anderen Ländern das Institut der Ehe von der Verfassung oder anderen rechtlichen Grundsätzen besonders geschützt werde. "Das ist wichtig, weil der Vergleich zu anderen Staaten in Europa bei der Auslegung des nationalen Rechts zunehmende Bedeutung erlangt hat." Auf Grundlage der Ergebnisse werde die Staatsregierung dann entscheiden, ob sie eine Normenkontrollklage vor dem Bundesverfassungsgericht einreicht.

Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, der Münchner Kardinal Reinhard Marx, hatte mehrfach erklärt, er wünsche sich, das Bundesverfassungsgericht möge sich mit der "Ehe für alle" beschäftigen. Die katholische Kirche bedauere, dass es nicht bei der alten Regelung geblieben sei, sagte Marx im Juli bei einer Diskussion mit dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle.

Letztlich aber sei es Aufgabe des Staates, die Angelegenheit zu regeln; die Kirche habe sich zurückzuhalten. Der Jurist erklärte daraufhin, das Gericht könne sich nicht aussuchen, welche Fälle es bekomme: "Aber wenn es angerufen wird, kann es entscheiden." (KNA)