Bei den Anglikanern knirscht es
Der Primas der "Church of England", Justin Welby, demonstriert Optimismus. Es sei ein "außerordentliches Gefühl", die Leiter aller anglikanischen Kirchenprovinzen weltweit zu Gast zu haben. Zumindest auf dem Papier ist es auch so: Die Chefs der insgesamt 39 Kirchenprovinzen, die die rund 77 bis 85 Millionen anglikanischen Christen weltweit repräsentieren, tagen seit Montag in Canterbury - erstmals seit Januar 2016. Eigentlich ein Pflichttermin; doch einige boykottieren die Arbeitssitzung demonstrativ.
Welby veröffentlichte kürzlich eine Videobotschaft, in der er das Fehlen von wohl sechs Erzbischöfen einräumen musste. Wegen Krankheit oder - in wohl mindestens vier Fällen - "weil sie es so wollen". Öffentlich haben die konservativen Erzbischöfe von Nigeria und Uganda, Nicholas Okoh und Stanley Ntagali, ihr Fernbleiben mit dem nach ihrer Meinung zu liberalen Kurs in einigen Nationalkirchen erklärt. Näherhin dürfte der Grund in der jüngsten Entscheidung der schottischen Anglikaner liegen, ähnlich wie die US-Episkopalkirche künftig gleichgeschlechtliche Ehen zu segnen.
Die Steine des Anstoßes sind immer dieselben
Der Generalsekretär der Anglikanischen Gemeinschaft (Anglican Communion), Erzbischof Josiah Idowu-Fearon, kritisierte den Schritt seines Landsmanns Okoh als "Bruch eines Versprechens". Die Kirchenführer hätten Anfang 2016 beschlossen, den Weg weiter gemeinsam zu gehen, trotz aller Meinungsverschiedenheiten. Das tue man auch, verlautete als Replik aus Nigeria; anders als die liberalen US-Anglikaner, die mit ihren eigenmächtigen Entscheidungen die Linie der Gemeinsamkeit verließen und "bei ökumenischen Treffen weiter für uns sprechen" - obwohl das Gegenteil vereinbart gewesen sei.
Die Steine des Anstoßes sind immer dieselben: Segnung von Homosexuellen, Bischöfinnen, schwule Bischöfe. Erfordernisse des 21. Jahrhunderts seien das, meinen die Westler. Eine Abkehr vom christlichen Comment zweier Jahrtausende, sagen Nationalkirchen Afrikas und Asiens - für die sich das Karussell des Zeitgeistes deutlich weniger schnell dreht.
Die Bischofsweihe des in gleichgeschlechtlicher Partnerschaft lebenden US-Priesters Gene Robinson 2003 und die Ernennung der Primatin Jefferts Schori 2006 trieb die Spannungen zwischen Liberalen und Konservativen auf die Spitze. Die Worte des früheren Anführers des evangelikalen Flügels von damals, Erzbischof Peter Akinola (73) aus Nigeria, klingen bis heute nach: "Ein Krebsgeschwür, das sich jeder Behandlung widersetzt, muss herausgeschnitten werden." Immerhin reklamieren die Bischöfe des konservativen "Global South" für sich, die Hälfte aller Anglikaner weltweit zu repräsentieren.
Die Mehrheit der Nationalkirchen weltweit schloss 2016 die US-Episkopalkirche für drei Jahre von ihren gemeinschaftlichen Entscheidungen aus. Sie erklärten, deren Vorgehen stelle eine "grundsätzliche Abkehr vom Glauben und der Ehelehre der Mehrheit der anglikanischen Provinzen" dar. Konkret beinhaltet die Sanktion, dass die USA bis 2019 die anglikanische Weltgemeinschaft nicht in ökumenischen oder interreligiösen Gremien vertreten dürfen. Bei lehrmäßigen Abstimmungen sollen sie für diese Zeit kein Stimmrecht haben.
Nicht mehr als ein Achtungserfolg
Allerdings brachte solches Durchdrücken des konservativen Rückgrats über den Achtungserfolg hinaus wenig ein. Nach der parteipolitischen Logik bedeutete es nämlich: Eine derart gedisste Nationalkirche muss so weitermachen wie zuvor - zumal wenn sie sich mit dem Bewusstsein von "God's own country" gesegnet sieht. Wer Demut, Umkehr und Kniefall der Verlorenen Tochter erwartete, verkennt sowohl die Nord-Süd-Dynamik als auch das Sendungsbewusstsein der aufstrebenden anglikanischen Frauenschaft: Mann hat uns gar nichts mehr zu sagen.
Der Erzbischof von Canterbury räumte in der Vergangenheit diplomatisch ein: "Ich kann nichts tun, wenn sich jemand entschließt, den Raum zu verlassen." Die Kirche bleibe aber immer eine Familie - "auch wenn man getrennter Wege ginge". Doch trotz des Fehlens von 6 aus 39 - die man "sehr vermissen" werde - will sich Welby auf die Begegnung in Canterbury freuen. Denn seit 2016 sind nicht weniger als 16 Primasse neu im Amt - viele neue Gesichter also. Welby: "Es wird dort eine Menge frischer Energie und neuer Spannung geben - und zweifellos einige harte Fragen. (...) Das wird großartig."