Deshalb wächst die Zahl der Katholiken im Bistum Görlitz
In ganz Deutschland geht die Zahl der Katholiken zurück. In ganz Deutschland? Nein, ein kleines Bistum weit im Osten der Republik hört nicht auf, sich dem Abwärtstrend entgegenzustellen. Das Bistum Görlitz, um das er hier geht, ist so etwas wie das berühmte gallische Dorf von Asterix und Obelix – eine bemerkenswerte Besonderheit.
Denn während in allen anderen deutschen Bistümern die Zahl der Katholiken laut der am vergangenen Freitag veröffentlichten Statistik der Deutschen Bischofskonferenz 2018 teilweise deutlich zurückgegangenen ist, konnte Görlitz einen leichten Zuwachs verzeichnen. Verglichen mit 2017 stieg die Zahl der Katholiken in der an der deutsch-polnischen Grenze gelegenen Diözese um 205 auf 29.671. Während manche Bistümer sogar mehr als 2 Prozent ihrer Mitglieder verloren, wuchs Görlitz um 0,7 Prozent.
Sind die Görlitzer frommer als der Rest der Republik?
Sind die Görlitzer also – trotz oder gerade wegen ihrer extremen Diasporasituation –frommer als der Rest der Republik? Ja und nein. Vor allem, das zeigen die entsprechenden Statistiken, profitiert das Bistum Görlitz ebenso wie das nördlich gelegene Erzbistum Berlin von einem anhaltend starken Zuzug aus Polen. Bereits seit einigen Jahren lässt sich in der Grenzregion beobachten, dass immer mehr Polen ihren Lebensmittelpunkt nach Deutschland verlegen – teilweise, weil sie hier eine besser bezahlte Arbeit finden. Teilweise aber auch, weil die Grundstücks- und Wohnungspreise auf der deutschen Seite von Oder und Neiße mancherorts günstiger sind als auf der polnischen Seite der beiden Grenzflüsse.
Diese Entwicklung macht sich natürlich auch in der religiösen Prägung der Region bemerkbar. Lebten im deutschen Grenzgebiet noch vor wenigen Jahren nur wenige Christen, wächst insbesondere die Zahl der Katholiken dank der neuen polnischen Mitbürger hier inzwischen rasant an. Beispielhaft dafür steht im Bistum Görlitz die Grenzstadt Guben. In der dortigen Pfarrgemeinde haben mittlerweile rund 50 Prozent der Katholiken polnische Wurzeln – Tendenz steigend.
Für das kleine Bistum Görlitz ist diese Entwicklung Chance und Herausforderung zugleich. Da unter den polnischen Zuwanderern viele junge Familien sind, wird das kirchliche Leben in der Region spürbar belebt und verjüngt. Gleichzeitig prallen in den Gemeinden aber auch sehr unterschiedliche katholische Welten aufeinander. Denn obwohl deutsche und polnische Katholiken denselben Glauben teilen, gibt es im Alltag einige Hürden, die einer engeren Gemeinschaft teilweise im Weg stehen.
Neben der Sprachbarriere ist das vor allem die unterschiedliche kirchliche Sozialisation. Die polnischen Zuzügler sind aus ihrer Heimat meist stark volkskirchlich geprägt. Deshalb tun sie sich mit der Diasporasituation in ihrer neuen Heimat mitunter schwer. Das weiß auch der Görlitzer Bischof Wolfgang Ipolt: "Wer aus Polen stammt und zum ersten Mal in eine Pfarrgemeinde hier in Brandenburg und Ostsachsen kommt, fühlt sich sicher etwas fremd: Unsere Art, katholische Kirche zu leben, ist anders als in Polen." Umso wichtiger sei es, den Neubürgern Ansprechpartner zu nennen, die ihnen dabei helfen könnten, in die Gemeinden hineinzukommen und anzudocken.
Linktipp: Die Menschen mit der Botschaft des Glaubens in Berührung bringen
Sein schönster Erfolg als Görlitzer Bischof war bislang wohl die Neugründung des Zisterzienserklosters in Neuzelle. An diesem Sonntag hat Wolfgang Ipolt aber auch ganz persönlich Grund zum Feiern: Der Oberhirte wird 65 Jahre alt. Katholisch.de zeichnet seinen bisherigen Lebensweg nach. (Artikel von März 2019)Doch es ist nicht nur der Zuwachs bei den Kirchenmitgliedern, der das Bistum Görlitz in der Statistik der Bischofskonferenz herausragen lässt. Die Görlitzer, so scheint es jedenfalls, sind tatsächlich frommer als die Katholiken in anderen Bistümern. Nahe legt dies die Zahl der Gottesdienstbesucher. Während im vergangenen Jahr im Bundesdurchschnitt an einem normalen Sonntag nur noch 9,3 Prozent der Katholiken in Deutschland eine Heilige Messe besuchten, waren es im Bistum Görlitz mit 16,8 Prozent fast doppelt so viele.
"Der Glaube und die Gemeinschaft tragen die Menschen"
Markus Kremser, ehemaliger Pressesprecher des Bistums, erklärt sich die positiven Zahlen der Diözese neben den Zuzügen aus Polen auch mit einer nach wie vor starken Bindung der Katholiken an ihre Kirche. "Das Selbstverständnis von Kirche ist in Görlitz anders als in anderen Bistümern. Vieles ist familiärer, der Glaube und die Gemeinschaft tragen die Menschen", so Kremser gegenüber katholisch.de. Die Gemeinden in der Diözese seien nicht in unterschiedliche Lager zersplittert, rivalisierende Kategorien wie "Liberale" oder "Konservative" kenne man kaum. Dies hänge auch mit dem Erbe der DDR zusammen, in der die Kirche für die Gläubigen ein Schutzraum und ein Ort der Freiheit gewesen sei.
Hinzu komme, dass es im Bistum Görlitz bislang kaum Missbrauchsfälle gegeben habe. "Einen durch die Missbrauchsstudie der Bischofskonferenz ausgelösten Austrittseffekt gibt es hier im Bistum nicht", sagt Kremser, der inzwischen unter anderem als freier Journalist und als Geschäftsführer für den Familienbund der Katholiken in Sachsen tätig ist. Es sei vermutlich eher so, dass die meisten Katholiken in der Diözese noch nie an Austritt gedacht hätten. "Die kirchliche Gemeinschaft wird hier von den allermeisten Gläubigen als so positiv erlebt, dass kaum jemand auf die Idee kommt, die Kirche zu verlassen." Sollte das stimmen, wäre Görlitz auch in dieser Hinsicht bundesweit eine bemerkenswerte Besonderheit.