Ein Kloster auf unchristlichem Gebiet
Zeitlich könnten die beiden Jubiläen, die das Kloster Wechselburg in diesem Jahr begeht, kaum weiter auseinander liegen. Und doch stehen der 850. Jahrestag der Gründung des Klosters und der 25. Jahrestag seiner Wiederbesiedelung nach der Deutschen Einheit gemeinsam für die spannende und wechselvolle Geschichte des mittelsächsischen Klosters.
Ihren Anfang nahm die Geschichte des Konvents im Jahr 1168. Damals ließ Dedo von Rochlitz-Groitzsch, der wegen seiner Leibesfülle auch "der Feiste" und "der Fette" genannt wurde, auf dem von ihm geerbten Land beim Ort Zschillen im Tal der Zwickauer Mulde eine Kirche errichten. Neben der Kirche, die er als Begräbnisort seiner Familie vorgesehen hatte, stiftete Dedo zudem ein Kloster, für das er Ordensbrüder der Augustiner-Chorherren aus der Nähe von Halle kommen ließ.
Klosterleben seit 1174
Nachdem der Meißener Bischof Gerung den Ostteil der spätromanischen Basilika 1168 geweiht hatte, dürfte das Gotteshaus spätestens 1180 vollendet gewesen sein; die Fertigstellung des Klosters folgte ein paar Jahre später. Das Klosterleben nach den Regeln des heiligen Augustinus hatte allerdings schon 1174 begonnen.
In den folgenden etwa 400 Jahren wechselte das Kloster mehrfach den Besitzer. 1278 übergab Markgraf Heinrich III. das Kloster dem Deutschen Ritterorden. Dieser verlor es jedoch 1543 – kurz nach der Reformation – mit allen Besitzungen an Herzog Moritz von Sachsen, der das Kloster umgehend säkularisierte und im Tausch gegen Gebiete in der heutigen Sächsischen Schweiz an die Herren von Schönburg weitergab. Dieser Tausch führte auch dazu, dass sich für Zschillen ein neuer Name einbürgerte: Wechselburg.
Wiederum 200 Jahre später ließen die Herren von Schönburg auf den Fundamenten der inzwischen verfallenen Klosteranlage ein Barockschloss errichten. Das blieb bis zur entschädigungslosen Enteignung im Rahmen der Bodenreform im Jahr 1945 im Besitz der Familie. Die Stiftskirche, deren Dach in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs durch Munitionssprengungen schwer beschädigt worden war, wurde von 1953 bis 1965 saniert. Anschließend wurde das Gotteshaus als Pfarrkirche und Wallfahrtsort genutzt.
Klösterlicher Neubeginn nach der Wiedervereinigung
Kurz nach der Wiedervereinigung entwickelte sich dann in Wechselburg neues klösterliches Leben. Am 28. August 1993, heute vor genau 25 Jahren, gründeten Benediktinermönche der bayerischen Abtei Ettal auf Einladung des damaligen Dresdner Bischofs Joachim Reinelt das Kloster Wechselburg neu. Wechselburg war das erste Tochterkloster in der Ettaler Geschichte und sollte die Bereitschaft der Benediktiner zeigen, die Kirche und den Glauben in der ostdeutschen Diaspora nach der Wende zu unterstützen.
Seit der Wiederbesiedlung sieht das Kloster, das in einem Gebäude neben dem Barockschloss angesiedelt ist und 2012 zu einem abhängigen Priorat (Tochterkloster) von Ettal erhoben wurde, seine Hauptaufgabe in der verlässlichen Präsenz des Gebets in einer Region, in der der Anteil der Katholiken an der Bevölkerung nur 1,8 Prozent beträgt (im gesamten Bistum Dresden-Meißen sind es 3 Prozent). Zur Wechselburger Pfarrgemeinde Heilig Kreuz, für die das Kloster verantwortlich ist, gehören nur rund 900 Menschen in vier Städten und 93 Dörfern. Die Benediktiner beschreiben ihre Aufgabe angesichts dieser extremen Diasporasituation so: Sie suchen Gott, wo er nicht vermisst wird.
Neben der Pfarrseelsorge und der Wallfahrt zum Heiligen Kreuz bieten die Benediktiner in Wechselburg unter anderem Kurz-Exerzitien, Tagesveranstaltungen zu biblischen und religiösen Themen sowie alle drei Monate die "Wechselburger Jugendvesper" an, an der jeweils bis zu 400 Jugendliche teilnehmen. Überhaupt sind Jugendliche und Familien in Wechselburg sehr willkommen: Ihnen steht auf dem Klostergelände ein Jugend- und Familienhaus mit Gästezimmern und Gruppenräumen zur Verfügung.
Architektonischer und spiritueller Mittelpunkt des Klosters ist bis heute die Klosterkirche aus dem 12. Jahrhundert. Die dreischiffige Pfeilerbasilika auf einem kreuzförmigen Grundriss zählt zu den am besten erhaltenen romanischen Kirchen östlich der Saale. Das kunsthistorisch wertvollste Ausstattungsstück der Basilika ist der Lettner, der den Chorraum der Mönche mit der Krypta vom übrigen Kirchenschiff trennt. Das Bildprogramm des Lettners, der im 13. Jahrhundert geschaffen wurde und heute in restaurierter Form wieder an seinem ursprünglichen Standort steht, umfasst Reliefplatten mit Personen und Szenen aus der Bibel.
Dresdner Bistumswallfahrt nach Wechselburg
Gekrönt wird der Lettner von einer Kreuzigungsgruppe, die nicht das Leiden Christi in den Vordergrund rückt, sondern Christus, der im Willen des Vaters den Tod überwunden hat (Triumphkreuz). Die Kreuzigungsgruppe über einem den Berg Golgota symbolisierenden Bogen zeigt Maria und Johannes unter dem gekreuzigten Christus, der von zwei heranfliegenden Engeln getragen und verehrt wird. Am oberen Ende des Kreuzes ist Gottvater mit der Taube des Heiligen Geistes dargestellt, unter dem Kreuz der erwachende Adam. Maria und Johannes stehen auf Königen, die wahrscheinlich das überwundene Heiden- und Judentum symbolisieren sollen.
So wechselhaft die Geschichte von Kloster Wechselburg verlaufen ist: Heute bietet das Kloster stressgeplagten Großstädtern, sinnsuchenden Jugendlichen oder kunsthistorisch Interessierten ein interessantes Programm, das einen Besuch in Mittelsachsen lohnt. Wer dennoch einen konkreten Anlass für eine Reise nach Wechselburg braucht: Am 16. September findet unter dem Leitwort "Wer immer du bist – SEIN Wort gilt dir" aus Anlass der diesjährigen Jubiläen die Dresden-Meißener Bistumswallfahrt nach Wechselburg statt.