Ein Tag mit Erzbischof Ludwig Schick
Es ist kalt. Und es ist früh. Sehr früh. In Bamberg ist um 4.45 Uhr morgens niemand unterwegs. Außer Erzbischof Ludwig Schick. Seine Laufrunde hat gerade begonnen. Obwohl es an diesem Novembermorgen stockdunkel ist, verzichtet der Bischof auf eine Stirnlampe. Schließlich kennt er seine Strecke: Rund fünf Kilometer läuft er für gewöhnlich. Jeden Tag. Das nasse Kopfsteinpflaster glänzt im Licht der spärlichen Beleuchtung. Der Erzbischof sprintet die engen Bamberger Gassen ans Wasser hinunter. Zwei Fahrradfahrer kommen ihm auf dem ganzen Weg entgegen, auf halber Strecke sind die ersten Vögel zu hören. Seine "Werktagslaufrunde" nennt der Bischof das. Beim letzten halben Kilometer macht diese dem Namen der "Siebenhügelstadt", wie Bamberg auch genannt wird, alle Ehre. Es geht steil bergauf. Erzbischof Schick bleibt aber bis zum letzten Meter im Joggingtempo. 31 Minuten dauert das morgendliche Sportprogramm. Bis zur Frühmesse bleibt noch genug Zeit für eine Dusche.
Nach dem Programm für den Körper folgt nun das für den Geist: Um 6.30 Uhr ist in der Hauskapelle des Bischofshauses Gottesdienstzeit. Erzbischof Schick nennt den Kirchenraum im Erdgeschoss das "geistliche Fundament" seines Hauses. Auf dem gleichen Stockwerk haben auch zwei Schwestern ihre Wohnräume. Sie sind für Schick die andere Säule seines Fundaments: "Ohne diese beiden Faktoren könnte das Haus nicht stehen." Täglich treffen sich die Schwestern mit dem Erzbischof zur Heiligen Messe. Heute ist es ein besonderer Gottesdienst für ihn: Vor 43 Jahren wurde er zum Diakon geweiht. Er bittet die Schwestern deshalb am Anfang, ihn in ihr persönliches Gebet miteinzuschließen. Nach dem Gottesdienst zieht sich der Erzbischof für sein stilles Gebet um. Fast eine Stunde lang kniet er betend, setzt sich wieder auf, konzentriert sich ganz auf sein Gespräch mit Gott. "Viele Ideen für Predigten kommen mir in dieser Zeit in den Sinn. Oder auch mal die Formulierung für einen Tweet", erzählt er später.
Seine Wohnung ist bescheiden eingerichtet. Er brauche nicht viel, sagt er. Von einer Sache besitzt er dennoch Unzähliges: Bücher. "Die meisten noch aus meiner Professorenzeit in Fulda", erzählt er. Diese Bescheidenheit erkläre auch, warum er nicht gerne im Bischofshaus wohne. Er müsse es halt. Das Gebäude selbst gehört dem bayerischen Staat. Die Vereinbarung: Jeder Bischof von Bamberg wohnt darin. Ohne Ausnahme.
Seit 2012 twittert der Erzbischof unter @BischofSchick. Hilfe braucht er dabei nicht. Tweets, Facebook-Postings und seit Neuestem auch Instagram, das macht er alles selbst. In der Regel habe er auch Zeit für seine Social-Media-Aktivitäten – und wenn er unterwegs ist, kommt das Tablet mit ins Auto. Doch normalerweise sitzt er dabei auf dem Sofa in seiner Privatwohnung. Auch für seine Predigten zieht er sich in den abgeschlossenen Teil des Bischofshauses zurück. Mit einem Diktiergerät in der Hand läuft er den immergleichen Weg vom Arbeits- ins Wohnzimmer. Seine Sekretärin tippt die Aufnahme danach für ihn ab.
Um 8.30 Uhr steht der erste offizielle Termin an: die Terminabsprache für Besprechungen und Besuche im Bistum mit Bischofssekretär Dieter Mahr. Bis zum Dezember im Folgejahr planen beide die Termine des Bischofs. Der trägt sie mit in seinen Kalender ein. Unter anderem müssen die Treffen mit der Ordinariatskonferenz festgelegt werden. Diese ist das oberste Gremium für Entscheidungen und Beratungen im Bistum. Domkapitulare, Regionaldekane und Hauptabteilungsleiter treffen sich dazu regelmäßig mit dem Bischof. Der Erzbischof legt die Stirn in Falten, überlegt, sagt dann auch einzelne Termine ab. "Haben wir's dann?", fragt Schick nach einer halben Stunde. Trockene Besprechungen wie diese machen ihm keinen Spaß. Lieber sei er nämlich draußen bei den Menschen. Er gehe auch regelmäßig in die Stadt, zum Friseur müsse er zum Beispiel wieder einmal, lacht er.
Bis zum nächsten Termin hat er noch Büroarbeit und Anrufe zu erledigen. Auf dem Schreibtisch des Bischofs liegt jeden Tag eine Liste mit Priestern der Diözese, die an diesem Tag Geburtstag haben. Dem Bischof ist es wichtig, seine Geistlichen für eine persönliche Gratulation anzurufen. Und wenn derjenige nicht erreichbar ist, versucht er es später noch einmal.
10.30 Uhr – Besprechungszeit: Die Medienvertreter der Öffentlichkeitsarbeit von Bistum, Caritas, Bistumszeitung und dem bischöflichen Jugendamt treffen sich einmal im Jahr mit dem Erzbischof und dem Generalvikar, um über langfristig anstehende Projekte zu berichten. Es geht dieses Mal vor allem um das kostenlose Bistumsmagazin "Leben".
12 Uhr: Ende der Sitzung und der nächste Termin. Der Bischof hat heute indische und polnische Kapläne zum Mittagessen im Bischofshaus zu Gast. Diese warten bereits in der Kapelle, um gemeinsam die Mittagshore zu beten. Davor begrüßt der Erzbischof jeden persönlich. Beim anschließenden Mittagessen – typisch fränkisch mit Schäufele, Kloß und Wirsing – ist er in gelöster Stimmung. Normalerweise kochen die Schwestern für den Erzbischof. Was es gibt, überlasse er aber ihnen. Später erzählt er vieles über die Räume des Hauses, schenkt Wein aus und fragt seine Priester, wie es ihnen in Deutschland ginge.
Der Bischof denkt dabei an seine eigene Zeit in einem anderen Land mit Sprachschwierigkeiten zurück. Er war gerade ein Jahr Kaplan im Bistum Fulda, als er zum Studium nach Rom geschickt wurde. Er selbst konnte kaum ein Wort Italienisch, die Vorlesungen seien auf Latein gewesen. Eine Herausforderung für den Jungpriester damals. Dass er überhaupt zu einem Zweitstudium nach Rom sollte, war eine große Überraschung für ihn. Er sei vorher auch nicht gefragt worden. Er habe an einer Priesterweihe im Fuldaer Dom teilgenommen und musste danach schnell zu einer Trauung in seine Kaplanspfarrei. Doch der damalige Bischof von Fulda, sein Namensvetter Eduard Schick, wollte ihn vorher noch sprechen. "Er sagte mir dann nur, dass er und der 'Geistliche Rat' entschieden hätten, dass ich zum neuen Semester in Rom studieren soll. Angemeldet sei ich bereits", erzählt der Erzbischof.
Nach seiner Promotion kehrte er ins Bistum Fulda zurück. Es folgten viele Aufgaben: Professor an der Theologischen Fakultät Fulda und der Universität Marburg, Hilfspriester in einer Pfarrei, Ökumenereferent, Generalvikar und schließlich Weihbischof. Bischof zu werden, daran habe er nie gedacht. "Wie in allem habe ich die Aufgaben in meinem Leben immer so angenommen, wie sie kamen." Dazu zähle auch die Ernennung zum Erzbischof von Bamberg vor nun 15 Jahren.
14 Uhr: Zeit für den nächsten Termin. Eine Besprechung mit der Caritas. Zwei Stunden lang beraten sich Weihbischof Herwig Gössl, der im Bistum Bischofsvikar für die Caritas ist, und Bereichsleiter Helmar Fexer mit Erzbischof Schick.
16 Uhr: Nun hat der Erzbischof einen für ihn persönlich leichten Termin. Zum 22. Mal bekommt er das Goldene Sportabzeichen verliehen. Seit 1996 wiederholt er diese Prüfung. Dazu gekommen sei er aber eigentlich aus Zufall und auch nicht ganz freiwillig. Als Generalvikar von Fulda, so erzählt er, habe ihn jemand bei einem Termin angesprochen und gefragt, ob er nicht das Sportabzeichen machen würde. "Ich habe mir nichts dabei gedacht und habe zugesagt." Als es dann "ernst" wurde, hielt er sein Wort. Dass daraus eine Leidenschaft werden könnte, dachte er damals noch nicht. Nun ist sein täglicher Morgenlauf nicht mehr wegzudenken und strahlend lässt sich Erzbischof Schick die goldene Nadel anstecken. Zur Feier des Tages stößt er mit Sekt darauf an.
17 Uhr – der letzte Termin für heute: Ein Treffen mit dem Familienbund. Viele neue Mitglieder sind dabei und Erzbischof Schick nimmt sich Zeit, sie alle kennenzulernen. Danach hat er frei. Abends, so erzählt er, nimmt er sich häufig noch sein Tablet, um auf Twitter die "Nachrichten des Tages durchzulesen". Neben privaten Messages, die er alle beantwortet, ist das aber auch die Berichterstattung von ARD oder ZDF. Twitter und die Accounts, denen er folgt, sind für ihn mittlerweile zu einer wichtigen Informationsquelle geworden. Sein Fernseher bleibt die meiste Zeit über abgeschaltet – außer es kommt Fußball. Das schaue er dann doch ab und an, erzählt er. Und wer den Tag zu solch vergleichbar nachtschlafender Zeit mit einem Sportprogramm beginnt, wird wahrscheinlich nicht bis spätnachts aufbleiben.