EKD zur Freilassung Racketes: "Punktsieg für Menschlichkeit"
Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete ist frei – das trifft vielerorts auf Zustimmung: Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, sprach am Mittwoch von einem "Punktsieg für Rechtsstaatlichkeit und Menschlichkeit". Zivile Seenotretter dürften nicht kriminalisiert werden. "Menschen vor dem Ertrinken zu retten, hat immer Vorrang", erklärte Bedford-Strohm. Der oberste Repräsentant der deutschen Protestanten nannte es eine "dringliche Aufgabe der Politik, einen Mechanismus zu etablieren, der die Anlandung von geretteten Menschen und ihre Verteilung auf aufnahmebereite Länder verlässlich regelt und damit verhindert, dass wir das unwürdige Drama der letzten Wochen noch einmal erleben".
Caritas: "Gutes Signal"
Als "ein gutes Signal" bezeichnete die Caritas die Gerichtsentscheidung auf Twitter. "Bedrohten Menschen zu helfen muss weiter möglich sein." Auch Amnesty International begrüßte die Entscheidung, die "die Rechtmäßigkeit der Arbeit von Seenotrettern und die Bedeutung des Menschenrechtsschutzes" unterstreiche. Amnesty-Generalsekretär Markus Beeko kritisierte zugleich "die zunehmende Kriminalisierung von Seenotrettern und anderen Menschen, die sich für die Rechte von Flüchtlingen und Migranten einsetzen". Diese würden Leben retten, während die EU-Mitgliedstaaten "ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen zur Seenotrettung ignorieren".
Ärzte ohne Grenzen erklärte, man sei froh über die Freilassung, aber "erschüttert über die staatlichen Maßnahmen gegen die Sea-Watch-Crew". Helfer in Libyen könnten täglich erleben, wie lebensbedrohlich die Situation von Flüchtlingen dort sei. Daher dürften die EU-Staaten das Zurückbringen von Migranten nach Libyen nicht zulassen: "Die Kriminalisierung und Blockade der zivilen Seenotrettung muss sofort beendet werden, und die EU muss dringend selbst ausreichend Rettungsschiffe zur Verfügung stellen."
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Eine Ermittlungsrichterin im sizilianischen Agrigent hob am Dienstagabend den Hausarrest gegen Rackete auf. Richterin Alessandra Vella schloss das Vergehen des Widerstands und der Gewaltanwendung gegen ein Kriegsschiff aus. Auch der Widerstand gegen italienische Beamte sei insoweit zu rechtfertigen, als die Kapitänin ihrer Pflicht zur Rettung von Menschenleben auf See gefolgt sei. Weiter habe Rackete sich zu Recht für das Anlegen auf Lampedusa entschieden, da weder Libyen noch Tunesien sichere Häfen böten. Italiens Innenminister Matteo Salvini reagierte mit wütenden Tweets: "Ungehorsam gegenüber staatlichen Gesetzen, italienische Soldaten angreifen, rammen, riskieren, sie umzubringen: das verdient keine Gefängnisstrafe. Und das soll 'Gerechtigkeit' sein?"
Festnahme nach Seenotrettung
Carola Rackete war am Samstag festgenommen und unter Hausarrest gestellt worden, weil sie die "Sea-Watch 3" mit 40 Flüchtlingen an Bord unerlaubt in den Hafen der Insel Lampedusa gesteuert hatte. Die Festnahme der Kapitänin stieß vielfach auf Empörung. Das Verhalten der italienischen Regierung bezeichnete der Flüchtlingsbischof der Deutschen Bischofskonferenz, Stefan Heße, als "unannehmbar". Solange die europäischen Staaten sich einer konsequenten Seenotrettung verweigerten oder sie nicht leisten könnten, sei die privat organisierte Rettung aus Seenot legitim und notwendig. "Moralisches Handeln darf nicht staatlicherseits bedroht und unmöglich gemacht werden", so der Hamburger Erzbischof.
Die Besatzung der "Sea-Watch 3" hatte am 12. Juni insgesamt 53 Menschen aus dem Mittelmeer gerettet. In mehreren Fällen nahmen die italienischen Behörden Kranke und Babys auf, verweigerten jedoch die Einfahrt des Schiffes nach Lampedusa. Am vergangenen Mittwoch hatte Rackete angesichts des verzweifelten Zustands der verbliebenen 40 Menschen an Bord den Notstand ausgerufen und war in italienische Hoheitsgewässer eingefahren. Nach der Einfahrt in den Hafen von Lampedusa in der Nacht zum Samstag wurden die "Sea-Watch 3" beschlagnahmt und Rackete festgenommen. Die Migranten durften an Land. (cph/KNA/epd)