Fall Asia Bibi: Missio fordert Einschaltung von Bundesregierung
Es war eine dramatische Wende: Am Mittwoch wurde die pakistanische Christin Asia Bibi vom Vorwurf der Blasphemie freigesprochen. Nach Straßenprotesten von Islamisten stimmte die Regierung am Freitagabend einem Revisionsprozess zu und versicherte, Bibi solange nicht ausreisen zu lassen. Ihr Anwalt hat das Land bereits verlassen – und ist unterwegs nach Amsterdam. Hilfsorganisationen, die sich seit Jahren mit dem Fall befassen, reagieren entsetzt.
"Die Bundesregierung und die Europäische Union sollten sich jetzt in den dramatischen Fall Asia Bibi einschalten und auf Aufklärung durch die pakistanische Regierung bestehen," forderte der Präsident des Päpstlichen Missionswerkes missio Aachen, Klaus Krämer, am Sonntag. Es müsse verhindert werden, dass Bibi, ihrer Familie und ihren Unterstützern etwas zustößt. "Die pakistanische Regierung muss für ihre Sicherheit sorgen und die rechtsstaatliche Umsetzung des Freispruchs für Asia Bibi und ihre Reisefreiheit garantieren", so Krämer.
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) appellierte an UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet, sich für einen wirksameren Schutz religiöser Minderheiten und ihrer Rechtsvertreter in Pakistan einzusetzen. Als Mitgliedsstaat des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen habe Pakistan eine besondere moralische Verpflichtung, die Rechte religiöser Minderheiten und ihrer Rechtsvertreter zu achten und zu schützen.
Bibis Ehemann soll um Asyl gebeten haben
Der Ehemann von Asia Bibi zeigte sich am Wochenende besorgt über die neue Wendung. Die Entscheidung, seine Frau vom Vorwurf der Gotteslästerung freizusprechen, sei ein Hoffnungsschimmer gewesen, sagte Ashiq Masih am Samstag der Deutschen Welle. Mit dem nun bekanntgewordenen Kompromiss zwischen der Regierung und islamistischen Gruppen drohe die Hoffnung wieder zu schwinden. "Diese Übereinkunft hätte es niemals geben dürfen", so Masih.
Themenseite: Zum Tode verurteilt - Der Fall Asia Bibi
Weil sie den Propheten Mohammed beleidigt haben soll, wurde die Christin Asia Bibi 2010 zum Tode verurteilt. Seitdem sitzt sie im Gefängnis. Zahlreiche Politiker, Menschenrechtsgruppen und Kirchenvertreter haben sich bereits für ihre Freilassung eingesetzt. Bisher vergeblich. Auch nach einem Freispruch im Oktober 2018 bleibt sie hinter Gittern."Meine Töchter haben sich so danach gesehnt, sie frei zu sehen, aber die Berufung wird das Leid meiner Frau noch einmal verlängern." Jetzt werde sie bis zu einer neuerlichen Entscheidung im Gefängnis bleiben. Pakistans Informationsminister Fawad Chaudry sagte dagegen dem britischen Sender, man habe die Sicherheitsvorkehrungen für Bibi verstärkt. "Ihr Leben ist nicht in Gefahr." Ehemann Masih bat derweil laut einem Bericht der BBC um Asyl in Großbritannien, den USA oder Kanada.
Die inzwischen 51 Jahre alte fünffache Mutter Asia Bibi saß acht Jahre in der Todeszelle. Der Katholikin war vorgeworfen worden, sich bei einem Streit mit muslimischen Frauen in ihrem Dorf abfällig über den Propheten Mohammed geäußert zu haben. Sie wurde 2009 festgenommen und im Jahr darauf nach dem umstrittenen Blasphemiegesetz Pakistans zum Tode verurteilt. Die Richter des Obersten Gerichtshofs in Islamabad befanden am Mittwoch, dass die Vorwürfe gegen Bibi juristisch schwach begründet seien und sprachen sie frei.
Anwalt kritisiert feindselige Aufnahme in Italien
Daraufhin forderten radikalislamische Anführer der Gruppe Tehreek-e-Labaik Pakistan (TLP) den Tod der Richter. Pakistans Regierung entsandte Militärs in mehrere Großstädte des Landes, um dort Amtsgebäude zu schützen. Regierungschef Imran Khan rief am Mittwochabend in einer Fernsehansprache zur Ruhe auf und warnte Demonstranten davor, den pakistanischen Staat anzugreifen. Mit Sitzblockaden legten sie Märkte und Straßenkreuzungen in Karachi und Lahore lahm. Am Freitagabend kam es dann zu dem Kompromiss, dass die Proteste aufhören, wenn die Regierung ein neues Revisionsverfahren gegen den Freispruch zulässt.
Bibis Anwalt Saif ul-Malook setzte sich unterdessen aufgrund von Drohungen durch islamistische Extremisten nach Europa ab. Nach einem kurzen Aufenthalt in Italien flog er weiter nach Amsterdam. Der Zeitung "Corriere della Sera" zufolge wurde er am Samstag am Flughafen in Rom von Beamten einer Anti-Terror-Einheit eine halbe Stunde lang verhört. Trotz einwandfreien Visums habe man die Echtheit seiner Dokumente angezweifelt, ihn anschließend zu einem Schalter eskortiert, um das Ticket für sein nächstes Ziel Amsterdam abzuholen. Obwohl er sich als Muslim für eine Christin engagiert und sein Leben aufs Spiel gesetzt habe, habe man ihn "wie einen Terroristen empfangen - und das im Land des Papstes", beklagte sich der Anwalt.
Nach dem Freispruch habe er sich aus dem Gerichtssaal kommend sofort verstecken müssen, schilderte ul-Malook. Er habe nicht einmal mehr nach Hause fahren können, um Kleidung zu holen. Sobald er am Freitag ein schon länger beantragtes Visum in den Händen hielt, habe er Pakistan verlassen und sei nach Italien geflogen.
Krämer: "Wir machen uns Sorgen"
Er habe das Mandat für Bibi aus professionellen Gründen angenommen, begründete der Anwalt sein Engagement. "Das ist keine Frage der Religion, sondern ein Fall, in dem es keine Beweise gab." Es habe sich schlicht um eine falsche Beschuldigung gehandelt. Im Übrigen sei er "nicht gegen das Blasphemie-Gesetz an sich, sondern nur gegen dessen falsche Anwendung". Das Recht auf freie Rede gestatte keine Beleidigungen gegen andere oder den Propheten Mohammed.
Einer erneuten Eröffnung des Verfahrens, trotz höchstrichterlichen Urteils, räumt ul-Malook kaum Chancen ein. Die Proteste der vergangenen Tage bezeichnete er als außergewöhnlich. Eine mögliche Reform des Blasphemie-Gesetzes sei für die kommenden Jahre nicht zu erwarten.
"Die Lage ist unübersichtlich, wir machen uns Sorgen", sagt auch Krämer von Missio. Der pakistanische Staat dürfe auch im eigenen Interesse nicht fundamentalistischen Hardlinern nachgeben. Das Hilfswerk hatte 2014 für die Freilassung Bibis 18.425 Unterschriften gesammelt und an die Bundesregierung übergeben, die die Petition an die verantwortlichen Politiker in Pakistan weiterleitete. Es lohne sich, öffentlich und international für das unteilbare Menschenrecht auf Religionsfreiheit einzutreten, sagte Krämer noch am Mittwoch. Missio Aachen fördert die katholische Kirche in Pakistan in der Ausbildung, der sozial-pastoralen Arbeit und im interreligiösen Dialog. (mit Material von KNA)