Essens Verwaltungschef gegen idealisierte Vorstellungen

Generalvikar Pfeffer: Kirche ist nicht so heilig, wie manche behaupten

Veröffentlicht am 05.11.2018 um 13:34 Uhr – Lesedauer: 

Mülheim ‐ Man dürfe nicht vegessen, "dass weder Taufe noch die Weihe uns zu besseren Menschen macht": Der Essener Generalvikar Klaus Pfeffer kritisiert angesichts des Missbrauchsskandals eine idealisierte Vorstellung von Kirche.

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Zur Vorbeugung von Missbrauch fordert der Essener Generalvikar Klaus Pfeffer von der katholischen Kirche Veränderungen. "Unsere Kirche war und ist nicht so 'heilig', wie sich das manche einreden und nach außen behaupten", sagte er der hauseigenen Publikation der Katholischen Akademie "Die Wolfsburg" (Ausgabe 1/2019) in Mülheim an der Ruhr. Er wandte sich gegen eine idealisierte Vorstellung der Kirche. Es dürfe nicht aus dem Blick geraten, "dass weder Taufe noch die Weihe uns zu besseren Menschen macht", so der Geistliche.

Für die lange vertuschten Missbrauchsfälle innerhalb der katholischen Kirche macht Pfeffer verschiedene Faktoren aus. Zum einen nannte er im Heft "Akademie-Akzente" eine "Moral, die nach wie vor dazu neigt, Sexualität zu tabuisieren und als etwas tendenziell 'Gefährliches' zu betrachten". Hinzu komme "eine Überhöhung der ehelosen Lebensform, ohne deren Schwierigkeit angemessen einzuschätzen". Problematisch sei eine "männliche Sonderwelt", die durch die Weihe bedingt sei und die viel Macht und Privilegien verleihe.

Die Vertuschung der Fälle liegt nach Ansicht des Generalvikars daran, dass die von den Opfern geschilderten Taten für viele "zu schrecklich" gewesen seien und die "eigenen Bilder von den zu Tätern gewordenen Priestern völlig auf den Kopf" gestellt hätten. Zudem habe es ein Bemühen gegeben, das Ansehen der Kirche zu schützen.

Mehr Aufmerksamkeit für Opfer nötig

Pfeffer forderte mehr Aufmerksamkeit für die Opfer. Sie brauchten mehr Zuhören und Unterstützung, um mit den Folgen der schrecklichen Erfahrungen einigermaßen leben zu können. Jeder Hinweis auf Grenzverletzungen und Gewalt müsse sehr ernst genommen werden.

Pfeffer plädierte für eine angstfreie Diskussion über die verschiedenen Fragen des priesterlichen Amtes, die zölibatäre Lebensform, die Verteilung von Macht in der Kirche "und nicht zuletzt auch die gleichrangige Beteiligung von Frauen an allen Aufgaben und Ämtern in der Kirche". Diese Themen habe auch die Studie der Deutschen Bischofskonferenz zum Missbrauch Minderjähriger durch Kleriker als entscheidend identifiziert.

Die Studie hatten die Bischöfe auf ihrer Vollversammlung in Fulda vorgestellt. In den kirchlichen Akten der Jahre 1946 bis 2014 hatte das von den Bischöfen beauftragte Forscherteam Hinweise auf 3.677 Betroffene sexueller Übergriffe und auf rund 1.670 beschuldigte Priester, Diakone und Ordensleute gefunden. Die Experten gehen zudem von weiteren Fällen aus, die nicht in den Akten erfasst sind. (KNA)