Franziskus "steht völlig auf dem Boden der Tradition"

Kardinal Kasper verteidigt Papst-Haltung zu Geschiedenen

Veröffentlicht am 17.06.2019 um 11:45 Uhr – Lesedauer: 

Köln ‐ Franziskus habe die Lehre von der Sakramentalität und Unauflöslichkeit der Ehe überhaupt nicht in Frage gestellt: Kardinal Walter Kasper verteidigt die Äußerungen des Papstes - und geht noch einmal auf die Forderung nach Priesterinnen ein.

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Der emeritierte Kurienkardinal Walter Kasper (86) hat die Haltung von Papst Franziskus gegenüber wiederverheirateten Geschiedenen verteidigt. "Papst Franziskus hat ja die Lehre von der Sakramentalität und von der Unauflöslichkeit überhaupt nicht in Frage gestellt. Er steht völlig auf dem Boden der Tradition", sagte der frühere Bischof von Rottenburg-Stuttgart in einem Interview mit dem Kölner Internetportal "domradio.de" am Montag.

Papst Franziskus gehe es bei seinen Äußerungen zum Kommunionempfang von Geschiedenen in seinem 2016 veröffentlichten Lehrschreiben "Amoris laetitia" zu Ehe und Familie um ein geistliches Unterscheidungsvermögen, das unterhalb der Lehre in der konkreten Praxis einen Spielraum lasse. "Das war im Übrigen auch die Position des jungen Theologen Joseph Ratzinger", sagte Kasper. Es gehe "um die Unterscheidung zwischen objektiv schwerer Sünde, die nicht unbedingt und in jedem einzelnen Fall subjektiv schwere Sündhaftigkeit bedeuten muss". Die Kirche müsse "den Einzelnen auf den Weg der Gebote Gottes führen; sie kann sich aber nicht an die Stelle des persönlichen Gewissens des Einzelnen setzen". Das verlange jeweils ein differenziertes Urteil. "Es gibt ja nicht DIE wiederverheiratet Geschiedenen, die nun pauschal alle zur Kommunion zugelassen werden."

Wenig Chancen für Frauenweihe

Wenig Chancen sieht Kasper für eine Priesterweihe von Frauen in der katholischen Kirche. Die Kirche müsse sich immer wieder erneuern; aber man könne sie nicht neu erfinden. Alle ins erste Jahrtausend zurückgehenden Kirchen, also außer der katholischen Kirche auch die orientalisch-orthodoxen und byzantinisch-orthodoxen Kirchen würden keine Priesterinnen kennen. Bis ins letzte Drittel des 20. Jahrhunderts habe das auch für die anglikanischen und die lutherischen Kirchen gegolten, so Kasper. Er verwies auf "bis heute nicht gelöste Zerreißproben" in der anglikanischen Gemeinschaft wegen der Weihe von Frauen. "Das möchte ich in meiner Kirche nicht. Dazu bestünde in der weltweiten katholischen Kirche auch keinerlei Konsens. Ganz im Gegenteil."

Ganz anders stehe es mit der von Papst Franziskus angeregten Erneuerung der synodalen Struktur der Kirche, die ein autokratisches, selbst-herrliches Priester- und Bischofsverständnis ablösen und ein neues Miteinander von Bischof, Priester und Laien eröffnen solle, sagte der Kardinal. "Ein solcher Rückgriff auf die altkirchliche Kirchenstruktur wäre die konservativste Erneuerung, die man sich denken kann. Mit ihr kann jede Diözese schon morgen anfangen. Sie würde Frauen bei allen innerkirchlichen Fragen Mitsprache- und Mitwirkungsrechte geben."

Franziskus und Benedikt haben "wirklich brüderliches Verhältnis"

Mutige Schritte forderte Kasper in der Ökumene. "Die Kirche wird bei uns zahlenmäßig immer geringer und marginalisierter. Sie muss heute möglichst mit einem Mund reden." Die Kirchen könnten sich nicht mehr gegeneinander profilieren. "Das ist Blödsinn, da verlieren wir nur." Deshalb sei die Ökumene auch von diesem Gesichtspunkt aus "sehr, sehr wichtig und ich denke, Schritte nach vorn sind möglich". Die Kirche in Deutschland sieht Kasper derzeit kritisch. "Deutschland ist nur ein Teil und momentan auch gar nicht der allerlebendigste Teil der Weltkirche."

Papst Franziskus und seinem im Vatikan lebenden Vorgänger Papst Benedikt XVI. bescheinigte Kasper ein "sehr gutes, ein wirklich brüderliches Verhältnis" zueinander. "Wenn es überall so in der Kirche zwischen Vorgänger und Nachfolger ginge, wäre es schön." Dennoch sieht Kasper Diskussionsbedarf bei den Regularien für den Umgang mit einem emeritierten Papst. "Der Titel Papa emeritus hat seine Probleme, und man wird ihn sicher nochmals diskutieren", sagte er. "Doch diese Diskussion mögen andere führen." (tmg/KNA)