Kohlgraf zu Missbrauch: Bisher kein Fehlverhalten Lehmanns bekannt
Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf sieht bislang kein Fehlverhalten seiner Amtsvorgänger beim Umgang mit Fällen von sexuellem Missbrauch. "Dafür geben die Akten auf den ersten Blick nichts her", sagte Kohlgraf am Dienstagabend in Mainz. Seine Amtsvorgänger Kardinal Karl Lehmann und Kardinal Hermann Volk hätten das Thema sexueller Missbrauch allerdings "unter den Maßgaben und Erkenntnissen ihrer Zeit" beurteilt, erklärte Kohlgraf bei einer Podiumsdiskussion.
Der im März 2018 verstorbene Kardinal Lehmann habe schon 2010 gesagt, dass das Thema in der Kirche massiv unterschätzt worden sei, sagte Kohlgraf. Lehmann sei allerdings davon ausgegangen, dass es vor allem um Einzeltäter gehe und nicht um ein systemisches Problem - und würde heute "einen wirklichen Schmerz und Schock" empfinden, dass es nicht allein um einzelne Täter gehe, sagte Kohlgraf. Hier habe die Kirche "gelernt und da lernen wir weiter", sagte der erst seit August 2017 amtierende Bischof. Er werde sich in den kommenden Tagen und Wochen mit Missbrauchsopfern treffen. Außerdem seien Gespräche mit Experten wie Juristen, Therapeuten und der Polizei geplant, sagte Kohlgraf.
Wilmer und Burger hatten Vorgänger kritisiert
Der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer hatte kürzlich seinem Vorvorgänger Josef Homeyer Versagen im Umgang mit Missbrauchstätern und Vertuschung vorgeworfen. Die damalige Bistumsleitung habe "nicht nur versagt, sondern sie haben fürchterliche Dinge zugedeckt, und das ist eine Katastrophe", sagte Wilmer. In der norddeutschen Diözese gibt es unter anderem auch Missbrauchsvorwürfe gegen den früheren Bischof Heinrich Maria Janssen (1907-1988). Dieser soll zwischen 1958 und 1963 einen Jungen sexuell missbraucht haben.
Auch der Freiburger Erzbischof Stephan Burger hatte sich für das Verhalten seiner "Vorgänger und der Verantwortlichen in der Bistumsleitung" im Umgang mit Missbrauch entschuldigt und Opfern ein Gespräch angeboten. "Ich weiß mittlerweile: Hilferufe wurden ignoriert, rechtzeitiges Handeln unterlassen, Maßnahmen zu spät ergriffen", so Burger. Er bekenne, dass die Institution Kirche der Erzdiözese auf diese Weise Schuld auf sich geladen habe. "Hier haben Verantwortliche wie Täter versagt."
Die deutschen Bischöfe hatten Ende September die von ihnen in Auftrag gegebene Studie "Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz" vorgestellt. Demnach gab es zwischen 1946 und 2014 in Deutschland 3.677 Betroffene sexueller Übergriffe von mindestens 1.670 Beschuldigten, darunter mehrheitlich Priester.
Das Bistum Mainz hatte parallel zur bundesweiten Studie eigene Zahlen veröffentlicht. Nach Auswertung von Akten aus den Jahren 1946 bis 2017 gab es demnach im Bistum Mainz Missbrauchsvorwürfe gegen 51 Priester und zwei Diakone. (tmg/KNA)