Bischof Erwin Kräuler wird heute 75 Jahre alt

Mann des geraden Wortes

Veröffentlicht am 12.07.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Bild: © KNA
Porträt

Bonn ‐ Hätte es einer Bestätigung für das Lebenswerk von "Dom Erwin" Kräutler bedurft, dann wäre es die Papstwahl von Jorge Mario Bergoglio im März 2013. An die Ränder gehen, sich auf die Seite der Entrechteten stellen - was Franziskus fordert, hat der gebürtige Österreicher über viele Jahrzehnte getan. Gestern wurde der als "Amazonas-Bischof" bekannte Kräutler 75 Jahre alt - und ist als Gesprächspartner gefragter denn je.

  • Teilen:

Sein Bistum Xingu ist das flächenmäßig größte Brasiliens . Nun ist "Dom Erwin" sogar so etwas wie der Übersetzer von Papst Franziskus im deutschsprachigen Raum geworden: Er lebt das vor, was der lateinamerikanische Papst fordert.

"Dom Erwin" trägt gern Turnschuhe und einen schlichten Priesterornat. Nur drei Monate im Jahr verbringt er am Schreibtisch in Altamira. Sein Platz ist in den Gemeinden im Regenwald, die sonst nur selten einen Priester zur Messfeier haben; an der Seite der entrechteten Indios, deren Lebensraum von Großunternehmen zerstört wird. Kräutler ist ein Mann des geraden Wortes, auch wenn es bedrohlich wird. Wirtschaftsbossen und Landräubern, Holzhändlern und Großgrundbesitzern stellt er sich in den Weg.

Kräutler kämpft für die Rechte der Ureinwohner

Wenige Wochen vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs in Vorarlberg geboren, personifiziert "Dom Erwin" die Entwicklung der Kirche Lateinamerikas seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965). Den jungen Ordenspriester rief 1965 sein Onkel, Bischof Erich Kräutler, nach Brasilien. Dort lernte er zunächst eine klassische Seelsorge kennen, die den Priester vor allem als Massenspender von Sakramenten sah, die aber ohne jede Anbindung an eine Gemeinde blieben.

Drei junge Xingu Indianer im Amazonasgebiet.
Bild: ©picture alliance

Die Indianer Brasiliens leiden unter der Zerstörung des Regenwaldes - ihr Land und ihre Lebensgrundlage werden verwüstet.

Bei ihrer Generalversammlung in Medellin 1968 beschlossen die Bischöfe Lateinamerikas eine grundlegende Neuordnung der Seelsorge: eine Kirche, gemeinsam auf dem Weg. Kleine Gemeinden mit viel Laienverantwortung , schon bald "kirchliche Basisgemeinden" genannt, sollten zur Keimzelle der Kirche werden; die wenigen Priester sollten möglichst viel bei den Menschen sein.

Als Bischof von Xingu und als Präsident des CIMI, des Indianermissionsrates der Brasilianischen Bischofskonferenz, kämpft Kräutler für die Rechte der Ureinwohner und der Landlosen im Amazonas, für den Schutz des Regenwaldes. 2010 wurde er dafür mit dem sogenannten Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet. Mehrere Mitarbeiter Kräutlers wurden ermordet; auch er selbst erhielt Morddrohungen. Er steht unter dauerndem Polizeischutz und kann seinen allmorgendlichen Fünf-Kilometer-Spaziergang nicht mehr am Fluss absolvieren, sondern nur noch im Haus.

"Wie eine zweite Bischofsweihe"

1983 machte Kräutler international Schlagzeilen, als er während der Militärdiktatur von der Polizei verprügelt wurde. Er hatte sich mit Zuckerrohrschnittern solidarisiert, die fast ein Jahr auf ihren Lohn gewartet hatten. In ihrer Verzweiflung besetzten sie die zentrale Straße "Transamazonica". Auch Kräutler, der zur Verhinderung einer Eskalation hergeeilt war, wurde als vermeintlicher Aufwiegler angegangen. Journalisten dokumentierten, wie er von Sicherheitskräften zu Boden geworfen und abtransportiert wurde.

Kräutler selbst meint, er habe damals nur seinen Job gemacht: Er sei bei den Menschen gewesen. Die scharten sich um ihn und schrien: "Lasst ihn los - er ist unser Bischof!" das war, sagt er rückblickend, "für mich wie eine zweite Bischofsweihe". 1987 wurde er bei einem mysteriösen Autounfall schwer verletzt - als er sich dafür einsetzte, die Rechte der Indigenen in der neuen Verfassung zu verankern. Der Kampfeswille ist weiter da, die Empörung über Menschenrechtsverletzungen, soziale Missstände und das Riesenstaudammprojekt am Xingu-Fluss, durch das Zehntausende Menschen ihnen Lebensraum verlieren.

Schon 1985 seufzte Papst Johannes Paul II. über der Landkarte mit Kräutlers Diözese: "Zu groß!". Und über die Zahl seiner damals 16 Priester: "Zu wenige!" Heute sind es 26 - für eine inzwischen 15 mal größere Zahl von Katholiken. Immerhin: Kräutler soll nun Pläne für eine Dreiteilung der Diözese vorlegen. Und mit seinem 75. Geburtstag muss er dem Papst seinen Amtsverzicht anbieten. "So kann es sein, dass ich gleich drei Nachfolger bekomme - damit käme ich ins Guinness-Buch der Rekorde." Arbeitslos wird er so oder so nicht werden. Unter anderem hat ihm Franziskus angetragen, an dessen Umweltenzyklika mitzuarbeiten.

Von Alexander Brüggemann (KNA)

Glückwünsche von Misereor

Zu seinem 75. Geburtstag gratuliert das Entwicklungshilfswerk Misesreor seinem langjährigen Partner Erwin Kräutler, Bischof der Amazonas-Prälatur Xingu: "Es ist uns eine große Freude, zu diesem Anlass unsere Dankbarkeit für Ihr großes Engagement für die indigenen Völker Brasiliens auszudrücken. Für uns ist Ihr Name verbunden mit einer Kirche, die sich für die Armen einsetzt", schreibt Geschäftsführer Martin Bröckelmann-Simon in seinem Gratulationsbrief an Kräutler. Seit fast 50 Jahren berichte Erwin Kräutler aus dem Alltagsleben der Armen heraus und sei so bedeutender Brückenbauer zwischen der lateinamerikanischen und der europäischen Kirche, erklärte das Hilfswerk in einer Pressemitteilung. Es würdigt besonders den Einsatz Kräutlers für die mehr als 40.000 Menschen, die für das Staudammprojekt Belo Monte am Xingu-Fluss im Amazonas umgesiedelt werden müssen. "Erwin Kräutlers Unterstützung gilt vor allem den indigenen Gruppen, dessen Lebengrundlage er durch den Bau des Dammes gefährdet sieht", so Misereor. Als Vorsitzender des Indigenen Missionsrates der Brasilianischen Bischofskonferenz (CIMI) stärke der austro-brasilianische Bischof außerdem in langjähriger Zusammenarbeit mit Misereor die Rechte von Landarbeitern und Kleinbauern, thematisiert den ökologischen Raubbau und die Ausbeutung des Amazonas sowie die mangelnde Gesundheitsversorgung der indigenen Bevölkerung. "In der vorrangigen Option für die Armen bleiben wir Ihnen weiterhin verbunden", schreibt Bröckelmann-Simon an Erwin Kräutler. (som)