Münchner Kardinal warnt vor Instrumentalisierung

Marx: Ich bin einverstanden mit dem Wort "Abendland", wenn...

Veröffentlicht am 05.04.2019 um 11:48 Uhr – Lesedauer: 

München ‐ Die Rede vom "christlichen Abendland" werde allzu oft genutzt, um andere Religionen und Kulturen abzuwerten: Eine solche Instrumentalisierung lehnt Kardinal Reinhard Marx ab. In einem anderen Zusammenhang könne der Begriff jedoch gebraucht werden.

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Der Münchner Kardinal Reinhard Marx warnt davor, den Begriff "christliches Abendland" zu instrumentalisieren und ihn zur Abgrenzung und Abwertung anderer Religionen und Kulturen zu benutzen. "Wenn 'Abendland' bezogen auf Europa auch die Wurzeln in Judentum und Christentum meint, aus denen sich ein Wertekanon herausgebildet hat, dann bin ich ganz einverstanden mit diesem Wort", sagt der Erzbischof von München und Freising in einem Radiobeitrag für die Sendereihe "Zum Sonntag" des Bayerischen Rundfunks. Dieser wird am 6. April um 17.55 Uhr auf Bayern 2 ausgestrahlt.

Zentrale europäische Grundwerte wie Menschenwürde, Freiheit, Frieden und Solidarität "und - als Grundlage für all das - die Gottebenbildlichkeit des Menschen" ließen sich aus diesen Wurzeln verstehen, erklärt der Kardinal. Viele dieser Werte könnten aber nicht nur aus dem Glauben heraus begründet werden, sondern seien in den Menschenrechten ein Allgemeingut geworden und "gehören" nicht den Religionen.

Christlicher Glaube ist nicht exklusiv

"Der christliche Glaube ist ja gerade nicht exklusiv, er nimmt grundsätzlich alle Menschen in den Blick und das Heil der ganzen Welt, ja der gesamten Schöpfung", erinnert Marx. Wenn der Begriff des "Abendlandes" von Populisten für ihre eigenen Zwecke verkürzt verwendet werde, "liegt es an uns, die Werte eines - gerade durch die Botschaft der Bibel - jüdisch und christlich verwurzelten Europa durch unsere Rede und unser Handeln fruchtbar zu machen und das Verbindende mit anderen Religionen, Kulturen und Überzeugungen zu suchen".

Nicht die Suche nach den Gegensätzen bringe die Gesellschaft weiter, sondern das "Streben nach dem, was uns verbindet zu einer Menschheitsfamilie", erklärt der Kardinal. Europa habe in diesem Punkt große Erfahrungen gesammelt, auch im Friedensprojekt der Europäischen Union. "Darin kann auch heute Europas Beitrag für eine bessere Welt liegen." Marx betont, Orient und Okzident, Morgenland und Abendland, seien früher rein geografische Begriffe gewesen, die später mit weiteren Inhalten gefüllt worden seien, "von Religion und Kultur bis hin zur Ideologie".

Politische Macht verbunden mit religiösen Interessen habe sich dadurch abgegrenzt, erläutert der Kardinal. "So standen dann irgendwann - kurz gefasst - Christen und Muslime einander gegenüber in der Frage um den rechten Glauben." Gerade wenn ein Begriff mehrdeutig sei, sei es wichtig, sorgsam auf die eigenen Worte zu achten und eine Instrumentalisierung des Begriffs zu vermeiden.

Bereits im Januar hatte sich Marx zum "christlichen Abendland" geäußert. Der Begriff sei dann problematisch, wenn er "ausgrenzend" verwendet werde, sagte der Kardinal. Das verkenne die "große Herausforderung, in Europa dafür zu sorgen, dass verschiedene Religionen mit jeweils eigenen Wahrheitsansprüchen friedlich zusammenleben", so Marx bei einer Diskussion mit dem Publizisten Michel Friedman im Theater "Berliner Ensemble". (tmg/KNA)