Lyoner Erzbischof äußert sich vor Gericht

Missbrauchsprozess gegen Kardinal Barbarin eröffnet

Veröffentlicht am 07.01.2019 um 13:05 Uhr – Lesedauer: 

Lyon ‐ Hat der Lyoner Kardinal Philippe Barbarin Missbrauch vertuscht? Das will die französische Justiz herausfinden. Im Gerichtssaal wies Barbarin am Montag die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurück: "Ich habe nie versucht, etwas zu vertuschen", so der 68-Jährige.

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Am Montag ist in Lyon ein Prozess wegen Nichtanzeige sexueller Übergriffe eines Priesters eröffnet worden. Unter den sieben Beschuldigten, die bis Mittwoch vor Gericht aussagen müssen, ist auch Kardinal Philippe Barbarin (68). Wie französische Medien berichten, betrat Barbarin das Justizgebäude am Morgen eine Stunde vor Prozessbeginn ohne ein Statement vor den wartenden Journalisten. Der Erzbischof von Lyon hatte entschieden, sich am Sonntagabend nicht beim traditionellen Neujahrsempfang zu zeigen. Er halte es für "richtiger", am Vorabend dieser "ernsten Tage" in Ruhe und Stille zu bleiben, schrieb er in einem Brief.

Barbarin: Ich habe nie versucht, etwas zu vertuschen

Vor Gericht beteuerte Barbarin am Montag, keine Informationen über sexuellen Missbrauch zurückgehalten zu haben. "Ich habe nie versucht, etwas zu vertuschen", sagte er laut dem Sender Franceinfo bei dem Verfahren. Er habe keine Tatsachen in Verbindung mit einem Priester verschleiert, dem sexuelle Übergriffe auf Minderjährige vorgeworfen werden. Barbarin sagte, er habe den Geistlichen nicht von seinen priesterlichen Ämtern suspendiert, weil der ihm geschworen habe, seit 1990 kein Kind missbraucht zu haben. Auf die Frage, warum Barbarin den Fall nicht an die Justiz meldete, antwortete er: "In diesem Moment habe ich nicht gedacht, dass ich das tun muss, da die Fälle verjährt waren und das Opfer selbst bestätigt hat, dass es nichts mehr ändern könne." Er habe sich aber Zeit für ein Gespräch mit dem Opfer genommen. Der 68-jährige räumte weiter ein, es sei ihm in der Vergangenheit nicht immer gelungen, die "passenden Worte" zu finden. "Aber heute sind meine Worte aufrichtig; sie kommen von tief in mir, meinem Herzen und meinem Glauben", so der Kardinal.

Bereits 2016 war gegen Barbarin wegen Nichtanzeige sexueller Übergriffe des gleichen Priesters ermittelt worden. Damals stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren nach einigen Monaten ein; es habe keine Hinweise auf eine Straftat des Kardinals gegeben. In einem Zeitungsinterview betonte Barbarin im Jahr 2017, er habe "absolut nichts vertuscht", räumte jedoch Fehler im Umgang mit Missbrauchsanzeigen ein. Im September 2018 hatten über 100.000 Franzosen eine Online-Petition eines Priesters unterschrieben, die den Rücktritt Barbarins fordert.

Auch Kardinal Luis Ladaria unter den Beschuldigten

Nun haben zehn ehemalige Pfadfinder, die in den 1970er Jahren Opfer sexueller Übergriffe des gleichen Priesters in der Erzdiözese Lyon wurden, Klage wegen der Nichtanzeige eingereicht. Dass die Opfer ein von der Staatsanwaltschaft abgeschlossenes Verfahren anders als in Deutschland nochmals aufrollen können, geht auf eine Besonderheit im französischen Justizsystem aus dem Jahr 1808 zurück. Den Opfern kann in dem Prozess eine Entschädigung zugesprochen werden. Den Tätern drohen Haft- oder Geldstrafen.

Unter den Beschuldigten ist auch der heutige Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Luis Ladaria. Er wird bei dem Prozess jedoch nicht anwesend sein; der Vatikan hat diplomatische Immunität geltend gemacht. (tmg/stz/KNA)

07.01.2019, 18:55 Uhr: ergänzt um die Aussagen von Kardinal Barbarin vor Gericht