Auch Landesbischöfin Junkermann im Visier

Nutzung von Nazi-Glocken: Strafantrag gegen Evangelische Kirche

Veröffentlicht am 12.02.2019 um 12:57 Uhr – Lesedauer: 

Erfurt ‐ Verstößt die Weiternutzung von Kirchenglocken mit Nazi-Symbolik gegen geltende Gesetze? Davon ist ein Saarländer überzeugt. Deshalb hat er einen Strafantrag gegen die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland gestellt.

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Wegen der anhaltenden Nutzung von Glocken mit Nazi-Symbolik ist gegen die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) Strafantrag bei der Staatsanwaltschaft Erfurt gestellt worden. Die Forderung nach einer strafrechtlichen Verfolgung richte sich auch gegen Landesbischöfin Ilse Junkermann, berichten die Thüringer Zeitungen der Funke Mediengruppe (Dienstag). Eine offizielle Bestätigung durch die Erfurter Ermittlungsbehörde stand zunächst aber noch aus.

Die Zeitungen, darunter die "Thüringer Allgemeine", beziehen sich auf den Saarländer Gilbert Kallenborn, der erst vor zwei Wochen auf die andauernde Nutzung von sechs Glocken in Kirchen auf EKM-Gebiet hingewiesen hatte. Per Einschreiben habe er Anfang Februar die Erfurter Staatsanwaltschaft eingeschaltet, schreibt die "Thüringer Allgemeine". Mit der Bewahrung und Weiterbenutzung der Glocken verstoße die EKM aus Kallenborns Sicht gegen das Strafgesetzbuch, das ein Vorrätighalten und Nutzen von verfassungsfeindlichen, verbotenen Nazidevotionalien unter Strafe stellt. Auf mehrere Beanstandungen in der Adventszeit soll die EKM nicht reagiert haben.

Jüdische Gemeinde fordert, Glocken ganz abzuhängen

Die Landeskirche hatte jüngst sechs Glocken mit NS-Bezug in fünf Thüringer Kirchen bestätigt und deren Benutzung nicht ausgeschlossen. Nach früheren Meldungen trägt eine dieser Glocken die Inschrift "Gegossen im zweiten Jahre der nationalen Erhebung unter dem Fuehrer und Kanzler Adolf Hitler". Daneben befinde sich ein Kranz mit Hakenkreuz. Die Kirchenzeitung "Glaube und Heimat" hatte berichtet, dass auf einer Bronzeglocke aus dem Jahr 1934 mit Brustbildern von Adolf Hitler und Martin Luther das Hitler-Bildnis unkenntlich gemacht worden sei. Die jüdische Landesgemeinde forderte, die Glocken ganz abzuhängen.

Die EKM hatte erst in der vorigen Woche erklärt, sehr sensibel mit diesem Thema umzugehen. Deshalb würden auch die Standorte der Kirchen nicht öffentlich gemacht, um einen Missbrauch ausschließen zu können. In den Kirchengemeinden laufe eine sehr bewusste und verantwortungsvolle Auseinandersetzung mit diesem schmerzhaften Kapitel ihrer Geschichte, hieß es. Für die Entscheidung, ob die Aufschriften abgeschliffen, die Glocken stillgelegt oder eingeschmolzen und neu gegossen werden sollen, bräuchten die Gemeinden Zeit. Es gelte das Angebot der Landeskirche, sie auch finanziell zu unterstützen, teilte die EKM mit.

Laut einer Umfrage des "Spiegel" aus dem vergangenen April befinden sich in mindestens 23 deutschen Kirchen noch heute Glocken mit Bezug zum Nationalsozialismus; die Zahl liegt aufgrund unvollständiger Erkenntnisse einiger befragter Landeskirchen mutmaßlich höher. Auf den Glocken seien Hakenkreuze oder Inschriften zu sehen, die auf Adolf Hitler oder Ereignisse wie den Anschluss des Saargebiets an das Deutsche Reich verwiesen. Einige seien bereits stillgelegt, abgehängt oder ersetzt worden, in manchen Fällen sei noch keine Entscheidung gefallen, hieß es damals. (tmg/epd/KNA)