Ökumenische Wertschätzung für die Bibel der anderen
Die beiden großen Kirchen haben wechselseitig ihre neuen Bibel-Übersetzungen gewürdigt. Bei einem Gottesdienst im Stuttgarter Dom Sankt Eberhard überreichten sich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, und der Vorsitzende des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, symbolisch eine Ausgabe der jeweiligen Neuübersetzungen. Sie waren im Herbst erschienen und können künftig zusammen in ökumenischen Gottesdiensten verwendet werden.
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Bei der anschließenden Tagung sagte Marx, beide Texte hätten ihre Bedeutung und seien aus unterschiedlichen historischen und theologischen Traditionen entstanden. Bedford-Strohm betonte, entscheidend sei "auf beiden Seiten die Liebe zur Bibel". Dass es zwei Übersetzungsprozesse gegeben habe, sei "ein wechselseitiger Reichtum".
Nüchtern betrachten, kritisch analysieren
Bedford-Strohm bezeichnete in seiner Predigt die Heilige Schrift als faszinierendes Buch, dessen teils 3.000 Jahre alten Texte "immer noch in unsere Welt, in unsere Gesellschaft oder in unser persönliches Leben hinein sprechen". Der EKD-Chef nannte es zugleich wichtig, die Bibel "nüchtern zu betrachten, sie kritisch zu analysieren" und über ihre Entstehung Bescheid zu wissen. Ohne Distanz könne die Bibel "fürchterlich missinterpretiert und für den Aufruf zu Intoleranz oder gar Hass missbraucht werden".
Die Schriftstellerin Sybille Lewitscharoff sprach bei der Tagung über ihre Beziehung zur Heiligen Schrift und die "magische Anziehungskraft der Luther-Bibel". Sie wandte sich dagegen, die Bibel "literarisch zu idealisieren", weil dies die Heilige Schrift entwerten würde; Homer und Ovid seien "ungleich besser". Zugleich kritisierte sie eine "radikale Unwissenheit" junger Autoren über die Heilige Schrift.
Mühsame und jahrelange Arbeit
Joachim Wanke, früherer Erfurter Bischof, und Christoph Kähler, ehemaliger Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche Thüringens, waren in ihren Kirchen für die Neuübersetzung verantwortlich. Sie berichteten über die teilweise mühsame und jahrelange Arbeit der Kommissionen. Als Maßstäbe der Revisionen gelten neue wissenschaftliche Erkenntnisse über Text und Lebenswelten der Bibel, die Orientierung am Urtext, Änderungen im Sprachgebrauch und, bei den Protestanten, wegen der bekannten Klangbilder eine Rückkehr zur Sprache Martin Luthers. (KNA)