Kindesmissbrauch durch Geistliche nur "Einzelfälle"?

Polnischer Erzbischof: Kirchenkritischer Film "Klerus" zu einseitig

Veröffentlicht am 23.10.2018 um 11:29 Uhr – Lesedauer: 

Lublin ‐ In Polen ist der Film "Klerus" über Verfehlungen katholischer Priester ein Hit. Jetzt läuft er auch in einigen deutschen Kinos. Stanislaw Budzik, Erzbischof von Lublin, fürchtet, der Film könne Vorurteile über die Kirche verstärken.

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Der Kinofilm "Klerus" (polnisch: "Kler") zum Thema Missbrauch in der Kirche ist in Polen ein echter Kassenschlager. Erzbischof Stanislaw Budzik (66) bedauert im Interview, dass der Film ein einseitig negatives Bild der Kirche zeichne. Der Oberhirte der ostpolnischen Diözese Lublin sieht in sexuellem Missbrauch an Kindern ein "Ärgernis für das Volk Gottes", spricht jedoch von "Einzelfällen".

Frage: Herr Erzbischof, schon 3,5 Millionen Polen haben in den vergangenen drei Wochen den kirchenkritischen Kinofilm "Klerus" gesehen. Haben Sie ihn auch angeschaut?

Budzik: Ich habe den Film "Klerus" nicht gesehen. Ich habe jedoch zahlreiche Rezensionen gelesen und mit einigen Laien und Priestern gesprochen, die ihn gesehen haben. Der Regisseur ist bekannt für seine heftigen Bilder und seine scharfe Kritik an verschiedenen Gesellschafts- und Berufsgruppen. Diesmal nahm er sich die Geistlichen vor. Wir werfen ihm nicht vor, dass er das Böse sieht, weil es von Anfang an in die Geschichte der Menschheit geschrieben ist, und auch die Kirche, die sündig und heilig zugleich ist, nicht umgeht. Es ist aber schade, dass der Regisseur in der Umgebung von Geistlichen keinen Hauch Gutes erblickt.

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Frage: Ändert der Film in Polen die Stimmung gegenüber katholischen Priestern?

Budzik: Gläubige mit Kontakt zu Seelsorgern in der Kirche und den Pfarreien gewannen den Eindruck, dass das im Film "Klerus" präsentierte Bild stark übertrieben ist. Diejenigen, die voreingenommen gegenüber der Kirche und Priestern sind, werden sich in ihrer Gesinnung gestärkt fühlen. Für uns Priester und Bischöfe ist es eine Gelegenheit zur Prüfung des Gewissens und zur Mobilisierung in der Seelsorgearbeit und im spirituellen Leben, um durch diese Haltung ein anderes, besseres Bild der Geistlichkeit zu zeigen.

Frage: Wie groß ist das Problem des sexuellen Kindesmissbrauchs in der Kirche in Polen?

Budzik: In meiner Diözese - und ich denke, in vielen polnischen Diözesen ist es ähnlich - sind es Einzelfälle. Sie betreffen weniger als ein Prozent der Geistlichen. Aber jeder Fall ist ein großer Schmerz und ein Ärgernis für das Volk Gottes. Wir reagieren sofort gemäß dem polnischen Recht und der von der Bischofskonferenz vorbereiteten Anweisung sowie der Vorgaben des Apostolischen Stuhls.

Frage: Zumindest zwei Missbrauchsopfer haben ein Bistum und eine Ordensgemeinschaft erfolgreich auf Entschädigung verklagt. Wird die Kirche in Polen nun Opfern generell freiwillig mehr Entschädigung zahlen?

Budzik: Das polnische Recht kennt keine Kollektivhaftung. Verantwortlich ist der Straftäter und gegebenenfalls sein Komplize. Die Sünde der Pädophilie ist der vollkommene Widerspruch zu dem, was die Kirche predigt und lehrt, ebenso was sie von ihren Gläubigen verlangt, sowohl von Laien als auch von Priestern. Die Täter brechen die wichtigsten Regeln, die in der Kirche gelten. Es fällt schwer, von einer Mitverantwortung zu sprechen, es sei denn, es gab keine Reaktion auf das offensichtlich Böse. Die Kirche in Polen bietet Opfern psychologische Hilfe an, finanziert Therapien und führt Präventionsprogramme durch.

Rekordstart für Kinofilm "Klerus" in Polen

Fast eine Million Zuschauer in Polen sind in den ersten Tagen nach dem Kinostart in den Film "Kleriker" gegangen. Das umstrittene Werk löst im Nachbarland eine Debatte über die Kirche und ihren Einfluss aus.

Frage: Politiker fordern eine unabhängige Kommission, die die Missbrauchsfälle in der Kirche aufarbeitet. Wie stehen Sie als Erzbischof dazu?

Budzik: Ich wäre vorsichtig gegenüber diesen Politikern, die versuchen, politisches Kapital aus dem Erregen einer ablehnenden Haltung gegenüber der Geistlichkeit zu schlagen. Aber wir sind zur Zusammenarbeit bereit mit dem staatlichen Beauftragten für Kinderrechte und Personen und Institutionen, denen authentisch der Kampf gegen die Pädophilie am Herzen liegt, die viele Milieus befallen hat, nicht nur die Kirche.

Von Oliver Hinz (KNA)