Seewald: Darum muss der Pflichtzölibat aufgehoben werden
Der Münsteraner Theologe Michael Seewald plädiert dafür, den Pflichtzölibat für katholische Priester aufzuheben. Im "Kölner Stadt-Anzeiger" (Montag) revidierte der 30-Jährige, der selbst Priester ist, damit seine bisherige Position. Im letzten Jahr sei er noch als Verteidiger der Pflicht zur Ehelosigkeit "in den Ring gestiegen", betonte Seewald: "Das würde ich jetzt nicht mehr tun, da ich um ein Jahr an Erfahrungen mit der Kirche reicher bin, die für mich alles andere als positiv waren."
Angesichts massiven Drucks auf innerkirchliche Kritiker, so der Theologe weiter, brauche es Kraft, sich zur Wehr zu setzen und sich die Freiheit zu bewahren: "Die Kirche ist so lange nett, wie man sagt, was sie gerade hören will. Macht man das nicht, gibt es Ärger. Der aber wird gerade für Priester umso schwerer erträglich, je mehr die Kirche sich zu ihrer Ersatzfamilie stilisiert und Unterschiede in Sachfragen persönlich werden." Die Kirche habe "mütterliche Züge, aber auch stiefmütterliche", ergänzte der Dogmatiker: "Ihre kritischen Kinder werden verketzert, unliebsame Theologen werden überwacht, denunziert, und auf absurde Weise wird versucht, sie zu ideologischer Konformität zu zwingen."
Seewald: Irgendwo muss die Kraft herkommen
Er gebe diesem Druck nicht nach und bewahre sich seine Freiheit. Aber dafür müsse man kämpfen, wozu man viel Kraft brauche: "Die muss irgendwo herkommen. Für viele sind Ehe und Familie Orte, die natürlich auch viel Kraft kosten, die aber doch jene Stärke geben, die man braucht, um gut zu leben." Diese Möglichkeit solle die Kirche auch den Priestern eröffnen, sofern sie das möchten, forderte Seewald.
Seewald hatte sich im Mai vergangenen Jahres im Gespräch mit katholisch.de noch gegen die Aufhebung des Zölibats ausgesprochen. "Wer sich für ein Leben in Ehelosigkeit entscheidet, macht das freiwillig", so der Theologe damals. Es sei eine Angelegenheit der Freiheit. Stattdessen forderte Seewald die Einführung der Priesterweihe für zölibatäre Frauen. Die Argumente für die Ablehnung von Frauen bezeichnete er als "konstruiert und wenig überzeugend". Dafür erhielt er Kritik aus dem Bistum Münster, das "mit großer Verwunderung" auf das Interview reagierte.
Zu seiner Motivation, sich als 30-Jähriger Theologe und Priester für die Kirche zu engagieren, sagte Seewald nun dem "Kölner Stadt-Anzeiger": "Die Kirche fasziniert mich, und ich bin gerne katholisch." Etwas anderes könne er sich in religiöser Hinsicht nicht vorstellen. "Aber ich bin eben nicht kritiklos katholisch." Eine historische Leistung des Christentums bestehe darin, dass sich innerhalb dieser Religion eine Theologie herausgebildet habe, die zugleich kirchlich und kritisch sei. Berechtigte Kritik an der Kirche sei genauso wichtig wie die gläubige Zustimmung zur Kirche, so Seewald. "Sonst wird Religion fanatisch." (bod/KNA)