Keine Ermittlungen gegen Bischöfin und Landeskirche

Staatsanwaltschaft: "Nazi-Glocken" dürfen weiter läuten

Veröffentlicht am 20.03.2019 um 11:47 Uhr – Lesedauer: 

Erfurt ‐ Kirchenglocken mit Nazisymbolik billigen nicht die NS-Gewaltherrschaft: Das hat die Erfurter Staatsanwaltschaft nach einer Anzeige gegen die Evangelische Kirche und Landesbischöfin Junkermann erklärt. Ein juristisches Nachspiel ist aber nicht ausgeschlossen.

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Im Fall der sogenannten Nazi-Glocken ermittelt die Staatsanwaltschaft Erfurt nicht gegen Landesbischöfin Ilse Junkermann oder die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM). Es bestehe kein Anfangsverdacht für Volksverhetzung oder eine andere verfolgbare Straftat, berichtete MDR Thüringen (Mittwoch) unter Verweis auf die Staatsanwaltschaft. Ein Privatmann hatte vor einem Monat bei der Behörde eine entsprechende Anzeige gegen Bischöfin und EKM gestellt.

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft billige das Läuten von Kirchenglocken mit Nazisymbolik nicht die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft, meldete der MDR. Zudem handele es sich nicht um ein öffentliches Verwenden von Nazi-Symbolen. Gegen die Entscheidung der Erfurter Staatsanwaltschaft sei bereits Beschwerde eingelegt worden. Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft in Jena müsse nun darüber entscheiden.

Die Nutzung von Kirchenglocken mit Nazi-Symbolik sorgt seit Wochen für Diskussionen. Die EKM kündigte inzwischen an, dass es im April Gespräche im Landeskirchenamt mit den betroffenen Gemeinden geben soll. Eingeladen werde auch der Vorsitzende der Jüdischen Landesgemeinde, Reinhard Schramm. Das Thüringer Finanzministerium stellte Lottomittel für die Herstellung neuer oder die Umarbeitung der historischen Glocken in Aussicht. Die Jüdische Landesgemeinde fordert, die Glocken ganz abzuhängen.

Auch Staatskanzlei sagt: Kein Straftatbestand erfüllt

Vor der Erfurter Staatsanwaltschaft war bereits die Staatskanzlei intern zu dem Schluss gekommen, dass mit der Nutzung der Glocken kein Straftatbestand erfüllt werde. Nach Auffassung der Staatskanzlei haben die betroffenen Kirchgemeinden allerdings kritisch zu prüfen, "wie sie verantwortlich mit diesem Teil ihrer Geschichte umgehen wollen".

Die EKM hatte wiederholt erklärt, sehr sensibel mit dem Thema umzugehen. Die Standorte der Kirchen würden nicht öffentlich gemacht, um einen Missbrauch ausschließen zu können. Für die Entscheidung, ob die Aufschriften abgeschliffen, die Glocken stillgelegt oder eingeschmolzen und neu gegossen werden sollen, bräuchten die Gemeinden Zeit. Es gelte das Angebot der Landeskirche, sie dabei auch finanziell zu unterstützen.

Laut einer Umfrage des "Spiegel" aus dem vergangenen April befinden sich in mindestens 23 deutschen Kirchen noch heute Glocken mit Bezug zum Nationalsozialismus; die Zahl liegt aufgrund unvollständiger Erkenntnisse einiger befragter Landeskirchen mutmaßlich höher. Auf den Glocken seien Hakenkreuze oder Inschriften zu sehen, die auf Adolf Hitler oder Ereignisse wie den Anschluss des Saargebiets an das Deutsche Reich verwiesen. Einige seien bereits stillgelegt, abgehängt oder ersetzt worden, in manchen Fällen sei noch keine Entscheidung gefallen, hieß es damals. (tmg/epd)