Stall war gestern
"Handwerkliche Vorkenntnisse braucht man hier eigentlich nicht", ruft Krippenbaumeister Karl-Heinz Bechtel gegen die Geräuschkulisse an. "Wichtig ist vor allem die Freude am Gestalten." Und Durchhaltevermögen möchte man hinzufügen, denn um eine Krippe zu bauen, braucht man zwischen 80 und 100 Stunden. Der Krippenbaukurs gehört zum Programm der einzigen Krippenbauschule in Deutschland.
Übers Jahr verteilt werden hier zehn bis zwölf verschiedene Kurse zu Figurenschnitzen, Hintergrundmalen, Beleuchtungstechnik oder Krippenbau angeboten. Lehrer und Ansprechpartner sind die vier Krippenbaumeister, die in Innsbruck ausgebildet wurden. Hinter allem steht der Krippenverein Klüsserath, der 1982 vom krippenbegeisterten Pfarrer der Gemeinde, Anton Kirstein, ins Leben gerufen wurde.
Krippen fürs eigene Wohnzimmer
Was mit einer kleinen Gruppe von Krippenbauern anfing, hat sich in 20 Jahren zu einem gemeinnützigen Verein entwickelt, der 260 Mitglieder aus ganz Deutschland zählt. Besonders im Herbst wird unter Anleitung gesägt, modelliert und gemalt, was das Zeug hält. "Die Kursteilnehmer bauen ihre Krippen ausschließlich fürs eigene Wohnzimmer, nicht zum Verkauf," betont Herr Bechtel. Nicht selten verfällt ein Kursteilnehmer der Krippenleidenschaft und kann gar nicht mehr aufhören zu bauen.
So wie Brigitte May: gerade arbeitet sie zusammen mit ihrem Mann an einem Anbau für die orientalische Krippenlandschaft, die sie im letzten Jahr gefertigt hat. "Der ganze Bau wird nachher bei uns im Wohnzimmer stehen, direkt vor dem Weihnachtbaum", erzählt sie. "Jeder der die Krippe anschauen möchte, ist bei uns willkommen."
Beim Krippenbau werden vor allem natürliche Materialien verwendet. Grundstoff für die Häuser sind Weichfaserplatten aus dem Baumarkt, aber auch Abfallmaterialien wie eine alte Teppichrolle,die zum Turm Davids wird. Ein eigens angerührter Krippenmörtel aus Kreide, Leimwasser und Holzstaub dient als Verputz. Zum Malen verwenden die Krippenbauer Erdfarben aus Afrika, die schon von Höhlenmalern benutzt wurden. Diese Erdfarben werden mit Bier vermischt und dann aufgetragen. Das verleiht den Krippen einen sehr altes, echtes Aussehen.
Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt
Unter den fleißigen Händen der Krippenbauschüler entstehen so riesige Krippenlandschaften, der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Renate Schmitt baut gerade an einer Heimatkrippe und versieht sie liebevoll mit kleinen Details. "Das Fensterchen hier erinnert mich an das Zimmer meiner Großmutter", erzählt sie. Zuhause hat sie noch einen kleinen Schleifstein gefertigt, der soll in den Holzschuppen seitlich vom Krippenhaus.
"Die handwerkliche Gestaltung ist im Krippenbau natürlich sehr wichtig. Der eigentliche Gedanke des Vereins ist aber die Verbreitung der Krippengeschichte und des Weihnachtsgeschehens", erklärt Pia Madert, die Vorsitzende des Krippenvereins. Die Kursteilnehmer sollen sich der Symbolik und des religiösen Hintergrundes einzelner Krippenelemente bewusst werden. So ist zum Beispiel der Bach, der durch viele Krippenlandschaften fließt, ein Sinnbild für das neue Leben, das mit der Geburt Christi erwächst.
Berthold Berens bearbeitet gerade eine kleine geschwungene Brücke mit Bierfarbe und macht sich Gedanken über die Krippensymbolik. "An meiner Krippe ist alles uneben – die Fenster, die Türen, das Haus – alles schief. Ich habe mir dazu vorgestellt, das Jesus in Bethlehem ja nur von den Armen aufgenommen wurde, die Reichen haben die Familie abgewiesen." Michael Morbach baut eine der beliebten moselländischen Krippen. Anhand einer alten Schwarzweißfotographie rekonstruiert er das Winzerhaus seiner Schwiegereltern: Scheune, Heuspeicher, Wohnhaus, dahinter ein Weinberg und im Vordergrund die Dorfstraße und ein Misthaufen mit Hahn. Alle Einzelheiten stimmen überein.
"Uns ist wichtig, dass sich die Krippenkünstler Gedanken darum machen, wieso sie die Weihnachtsgeschichte zum Beispiel in der eigenen Heimatlandschaft spielen lassen", erklärt Herr Bechtel. "Für mich bedeutet es eine engere Beziehung, wenn ich die Geburt Jesu in mein Elternhaus versetze. Denn Jesus könnte doch genauso gut in Klüsserath, in einem Bauernhaus, geboren worden sein."
Von Janina Mogendorf