Ukrainisch-orthodoxe Kirche: Gründungskonzil rückt näher
Das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel (Istanbul) hat am Donnerstag die Weichen für die Gründung einer eigenständigen ukrainisch-orthodoxen Landeskirche gestellt. Überraschend legte das federführende Patriarchat bei seiner Tagung (Heiliger Synod) in Istanbul aber doch noch keinen Termin für das Gründungskonzil in Kiew fest.
Anfang vergangener Woche hatte das Gremium mitgeteilt, das Konzil solle für Dezember einberufen werden. Dagegen wurde das Statut für die neue autokephale Landeskirche bei der Sitzung in Istanbul bereits beschlossen. Aus Kirchenkreisen hieß es, das Gründungskonzil werde für Januar vorbereitet.
Mit der Kirchengründung soll Moskau die kirchliche Hoheit über die Ukraine verlieren und die Teilung der orthodoxen Kirche in dem Land überwunden werden. Damit wäre die ukrainische Kirche die 15. autokephale Landeskirche weltweit und aus Sicht des Ökumenischen Patriarchats allen anderen Landeskirchen gleichgestellt.
Heftiger Widerstand der russischen Kirche
Die Initiative Konstantinopels stößt auf heftigen Widerstand der russischen Kirche, der mehr als die Hälfte der rund 250 Millionen orthodoxen Christen angehören. Das Moskauer Patriarchat will die Oberhoheit über die Ukraine behalten. Aus Protest stellte die russische Kirche ihre Zusammenarbeit mit dem Ökumenischen Patriarchat ein. Zudem verbot sie ihren Gläubigen die Teilnahme an Gottesdiensten in dessen Kirchen.
Damit droht der orthodoxen Kirche die Spaltung. Die anderen orthodoxen Landeskirchen drängten bisher ohne Erfolg auf eine Einigung zwischen den Patriarchaten von Konstantinopel und Moskau.
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko wertete unterdessen die bevorstehende Gründung einer eigenständigen orthodoxen Landeskirche als großen Erfolg. In einer TV-Ansprache dankte er am Donnerstagabend dem Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie, dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. von Konstantinopel, für die geplante Gewährung der Autokephalie (Eigenständigkeit) für die neue ukrainische Kirche. Dies bringe seinem Land "spirituelle Unabhängigkeit".
Zugleich griff er die Regierung und die orthodoxe Kirche Russlands scharf an. Beamte des russischen Geheimdienstes FSB und Geistliche in Soutanen und mit Kreuzen stünden bereit, um die Kirchengründung zu stören. "Aber Gott ist mit uns, wenn wir den gerechten Kampf für unsere Unabhängigkeit führen", so Poroschenko.
"Keine wahre Unabhängigkeit"
Ein Sprecher der russisch-orthodoxen Kirche sagte der Nachrichtenagentur Interfax, von einer wahren Unabhängigkeit der geplanten Kirche könne keine Rede sein, weil ihr Statut von Konstantinopel festgelegt werde.
In der Ukraine bekennen sich etwa 70 Prozent der 45 Millionen Bürger zum orthodoxen Christentum. Es gibt drei orthodoxe Kirchen. Eine untersteht dem Moskauer Patriarchat. Die anderen beiden lehnen eine Unterordnung unter Russland strickt ab und haben sich von Moskau bereits 1921 beziehungsweise 1992 abgespalten.
Fast alle rund 90 Bischöfe der moskautreuen ukrainischen Kirche haben angekündigt, dem Konzil fernzubleiben. Sie betrachten die Bischöfe der beiden anderen Kirchen als Schismatiker und werfen Konstantinopel eine unzulässige Parteinahme für sie vor. Laut ukrainischen Medien werden etwa 50 Bischöfe zu dem Konzil erwartet. (tmg/KNA)