Seit 20 Jahren dient der Kardinal-Höffner-Kreis zur Kontaktpflege zwischen CDU und Kirche

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Veröffentlicht am 05.06.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Kardinal Paul Joseph Cordes (r.) als Gast im Kardinal-Höffner-Kreis.
Bild: © KNA
Parteien

Berlin ‐ Helmut Kohl war nie zu Gast im Kardinal-Höffner-Kreis. Die These, wonach in der CDU das katholische Element schwinde, schien dem pfälzisch-katholischen Kanzler wohl völlig abwegig. Zumindest solange er das Sagen hatte. Dennoch gründete sich schon vor 20 Jahren noch in Bonn diese Runde von Katholiken in der CDU, die nach der Wiedervereinigung die Sorge vor einer anti-rheinischen und anti-katholischen Übermacht hegte.

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Bernhard Worms, damals Staatssekretär unter Bundesarbeitsminister Norbert Blüm, sammelte die Schar der Gleichgesinnten. "Wir spürten, dass die Verbindung zwischen den Kirchen und der CDU unverkennbar Risse bekam", erklärt Blüm heute. Zunächst noch weitgehend informell, trafen sich die Eingeschworenen in kleiner Runde im Ministerium in der Bonner Rochusstraße 1.

Aus einer rebellischen Runde ist eine feste Institution geworden. Das kleine Jubiläum feiert der Kreis heute in Berlin mit einer Festrede von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Ausgerechnet jene protestantische Kohl-Nachfolgerin wird den kleinen Katholiken-Club würdigen, die doch einigen als Personifizierung der Protestantisierung und Säkularisierung der Union gilt.

Katholischer Arbeitskreis mit Segen der Kanzlerin

Das, was die Partei formell nie einführen wollte, hat sich doch entwickelt: eine Art katholischer Arbeitskreis in der Union. Mit dem Segen der Kanzlerin. Der Kontakt zu den Kirchen und die Auseinandersetzung mit kirchlichen Positionen ist eben bisweilen nicht mehr ganz so selbstverständlich in der Union. "Früher gab es einen eingeübten Weg aus der kirchlichen Jugendarbeit herein auch in ein parteipolitisches Engagement und oft bis zu einem politischen Mandat", erklärt Familienstaatssekretär Hermann Kues, der den Kreis heute führt. Die Verknüpfung mit der katholischen Kirche sei in der Union "insgesamt dünner geworden".

Bundeskanzlerin Angela Merkel währen einer Pressekonferenz am 11. Februar 2013.
Bild: ©KNA

Bundeskanzlerin Angela Merkel währen einer Pressekonferenz am 11. Februar 2013.

Im Kardinal-Höffner-Kreis gibt es für die Kontaktpflege einen festen Ort. Aus einer Kampfgruppe zur Abwehr feindlicher Bestrebungen ist ein Forum der Selbstvergewisserung geworden. Heute bildet die von Kues geleitete Runde das ganze Spektrum des Katholischen ab. Und nicht selten erleben die zahlreichen bischöflichen Gäste beim Mittagessen in der feinen Parlamentarischen Gesellschaft der Abgeordneten, welche Polarität auch in ihrer Kirche bisweilen herrscht.

Für den ersten Vorsitzenden Blüm taten sich die Risse vor allem "bei der Umsetzung der katholischen Soziallehre" auf. Vom damaligen CDU-Chef Kohl habe der Kreis Grünes Licht bekommen, so berichtet Blüm heute. "Er war darauf bedacht, dass die Partei inhaltlich nicht austrocknet." Doch weniger Blüms Sozial-Agenda bestimmte die Debatten in dem Katholiken-Kreis. Vielmehr waren es vor allem die Lebensschutz-Diskussionen der zurückliegenden 20 Jahre, die Kirche und Partei extrem polarisiert haben.

Katholische Kooperation statt Konfrontation

Von 1994 bis 2009 stand der baden-württembergische Abgeordnete Georg Brunnhuber dem Höffner-Kreis vor. Ihm war es ein Anliegen, in den Debatten um den Paragrafen 218 "der Öffentlichkeit zu demonstrieren, dass es auch im Bundestag eine starke Bewegung für das ungeborene Leben gibt", wie er heute erklärt. Der Höffner-Kreis wurde unter seiner Leitung auch zu einem eher konservativ-katholischen Widerlager gegen eine liberale Mehrheitsmeinung.

In der Auseinandersetzung um "Donum Vitae" war es Brunnhuber, der die Kritik des damaligen kirchenpolitischen Sprechers der Unionsfraktion, Kues, an der römischen Position zurückwies. Inzwischen leitet Kues selbst den Kreis, und die alte Konfrontation ist mehr einem Bewusstsein gewichen, dass jene Politiker, denen das Katholische als solches am Herzen liegt, zusammenhalten müssen. Die kirchenpolitische Sprecherin der Fraktion, Maria Flachsbarth, nennt die einstige Hinterzimmerrunde inzwischen ganz zeitgemäß ein "Netzwerk". Mancher Abgeordnete trifft nur noch dort auf leibhaftige Kardinäle. So ist der Höffner-Kreis heute noch mehr als vor 20 Jahren tatsächlich eine "Schnittstelle" von Kirche und Politik geworden, da sich die Welten im Alltag immer seltener berühren.

Von Christoph Scholz und Volker Resing (KNA)