Warum nicht jede ins Kloster darf
Obwohl immer mehr Klöster schließen, glaubt Eva-Maria Kreimeyer (48) fest an die Zukunft ihres Ordens. Die Benediktinerin ist Priorin und Novizenmeisterin in Osnabrück. Bereits mit 19 Jahren ist sie ins Kloster eingetreten und lebt dort seit 30 Jahren. Manche Traditionen haben sich seitdem geändert, anderes jedoch unverzichtbar. Wer ins Kloster eintreten will, sollte vorbereitet sein. Als Nonne weiß Schwester Eva-Maria Kreimeyer, worauf es ankommt.
Frage: Schwester Eva-Maria, was ist die erste Frage, die Sie immer stellen, wenn jemand ins Kloster eintreten will?
Sr. Eva-Maria: Als erstes frage ich immer: Warum möchten Sie ins Kloster eintreten? Wenn eine Frau etwas älter ist, frage ich nach, warum sie nicht schon eher diesen Schritt getan hat und warum sie in ihrem Alter nochs ins Kloster gehen will. Ich höre schon beim ersten Gespräch genau hin, versuche aber ganz offen zu bleiben. Nach all den Jahren als Novizenmeisterin habe ich ein gewisses Gespür entwickelt, zu erkennen, ob jemand im Kloster glücklich werden kann oder nicht. Wir hatten in den letzten zehn Jahren fünf Eintritte. Wir nehmen nicht jede, die kommen möchte, sondern versuchen genau hinzusehen. Eine Interessierte sollte erst einmal für ein paar Tage bei uns mit leben. Beide Seiten können dann prüfen, ob es passt oder nicht. Interessierte Frauen können als Gast unverbindlich mit leben, beim Chorgebet dabei sein und sich über viele Fragen mit einer Ordensfrau austauschen. Oft klärt sich dann schnell, ob ein Hindernis besteht.
Frage: Welche Hindernisse meinen Sie?
Sr. Eva-Maria: Wenn eine Frau zum Beispiel nicht getauft ist oder der evangelischen Konfession angehört, müsste sie sich erst taufen lassen oder konvertieren, um bei uns eintreten zu können. Manche sind auch verheiratet oder haben Kinder, die nicht erwachsen sind.
Frage: Es kommen auch verheiratete Frauen zu Ihnen?
Sr. Eva-Maria: Ja, das kommt immer wieder mal vor. Es sind vor allem Frauen, die getrennt von ihrem Ehemann leben und den Wunsch haben, ins Kloster zu gehen. Wir klären da aber rasch auf und sagen, dass das nicht möglich ist, weil eine Ehe besteht. Die einzige Möglichkeit dies zu ändern wäre, die Ehe kirchlich annullieren zu lassen. Ich kenne mehrere Schwestern in einem anderen Orden, die vor ihrem Eintritt verheiratet waren. Als der Mann gestorben ist, sind sie ins Kloster eingetreten. Ich kenne auch eine Schwester, die als Oma eingetreten ist und die regelmäßig Besuch von ihren Kindern und Enkelkindern im Kloster bekommt. Das finde ich schön.
Frage: Was finden Sie schön daran?
Sr. Eva-Maria: Ich finde es spannend, dass Frauen mutig sind und einen neuen Lebensabschnitt so besonders leben wollen. Natürlich müssen die Voraussetzungen dafür stimmen. Es ist auch nicht leicht, wenn man schon älter ist, ganz neu anzufangen. Das Noviziat im Orden ist neben anderem auch dazu da, zu lernen, sich in eine bestehende Gemeinschaft einzufügen. Wenn man jünger ist, schafft man das noch leichter. Wenn eine Frau schon über 50 Jahre alt ist, muss man schon genauer hinschauen, ob sie gemeinschaftsfähig ist. Eine jüngere Person kann das noch lernen. Aber mit 50 ist es definitiv zu spät, wenn man nicht gemeinschaftsfähig ist.
Frage: Was geht bei Ihnen nicht?
Sr. Eva-Maria: Manche wollen eintreten, weil sie denken, das Leben im Kloster sei wie ein langer Urlaub. Aber ohne Arbeit und Mühen geht es nicht. Andere denken auch, das Kloster sei eine gute Altersvorsoge. Aber wir sind kein Altenheim. Manche wollen sich auch aus ihrem Leben stehlen und flüchten vor der Verantwortung da draußen. Sie verstehen das Kloster als behüteten Ort, der ihnen Sicherheit und Schutz gibt. Aber das ist keine gesunde Motivation für einen Eintritt ins Kloster. Einmal war eine junge Frau bei uns, die eindeutig einen Familienersatz in der Klosterfamilie suchte. Sie hatte schlechte Erfahrungen mit ihrer Familie gemacht und ging total bei uns auf. Die geistlichen Dinge interessierten sie wenig. Wenn aber die Freude am Gebet fehlt, kann man nicht in ein kontemplatives Kloster eintreten.
Frage: Aber das geistliche Leben kann sich doch auch mit der Zeit entwickeln?
Sr. Eva-Maria: Ja, aber die Sehnsucht danach muss von Anfang an da sein. Wenn ich jemanden immer wieder drängen muss, die Gebetszeiten einzuhalten, stimmt etwas nicht. Ich muss Freude am Gebet haben, sonst bin ich in einem kontemplativen Kloster nicht richtig. Der heilige Benedikt beschreibt es in der Ordensregel so: "Man achte genau darauf, ob der Novize wirklich Gott sucht, ob er Eifer hat für den Gottesdienst, ob er bereit ist zu gehorchen und ob er fähig ist, Widerwärtiges zu ertragen." (RB 58,7) Das ist das Entscheidende, finde ich. Die Berufung für ein geistliches Leben ist wie ein Samenkorn, dass Gott einsät. Fehlt aber das entsprechende Samenkorn, kann ich als Novizenmeisterin zwar das Eingesäte begießen, düngen, beschneiden, aber ich kann nicht die richtige Pflanze daraus hervorbringen. Da kommt oft alles möglich raus, aber nicht das, worum es bei einer Berufung für ein Leben im Kloster geht. Darunter leidet dann die gesamte Klostergemeinschaft. Manchmal ist es daher besser, wenn so jemand erst gar nicht eintritt.
Frage: Sagen Sie das den Betroffenen so auch?
Sr. Eva-Maria: Ich würde das nie so hart ausdrücken, aber wenn ich spüre, dass jemand nicht zu uns passt oder einfach die Berufung fehlt, bespreche ich das mit meinen Mitschwestern. Im nächsten Schritt versuche ich dann dies der Postulantin nahezubringen. Es ist wichtig, dass sie selber einsieht, dass ein Leben im Kloster nichts für sie ist. Einmal haben wir eine Schwester mit zeitlicher Profess nicht zur ewigen Profess zugelassen. Aber das passiert wirklich selten.
Frage: Aber wenn Sie sich irren würden und diese Person es erneut in einer anderen Gemeinschaft versuchen will?
Sr. Eva-Maria: Ich fände das in Ordnung, denn es würde zeigen, dass diese Person in dieser Frage noch nicht zur Ruhe gekommen ist. Daher lassen wir uns immer genügend Zeit für so eine Entscheidung und bitten auch unsere Postulantinnen, das auch zu tun. Seit 15 Jahren bin ich Novizenmeisterin und in dieser Zeit sind zehn Frauen eingetreten. Davon sind heute noch vier Schwestern da. Bei allen, die wieder gegangen sind, hat sich das schon in den ersten sechs Monaten, während des Postulates gezeigt. Nur meine erste Postulantin von diesen sechs ist erst nach der Einkleidung wieder gegangen, da war ich noch zu unerfahren.Wir haben in unserer Gemeinschaft eine gesunde Altersstruktur, weil wir Schwestern in allen Jahrzehnten haben. Die älteste ist 89 und die jüngste ist 25.
Frage: Was machen Sie anders als andere Gemeinschaften?
Sr. Eva-Maria: Wir sind Nonnen, das heißt wir leben kontemplativ. Das tägliche Stundengebet, die Schriftlesung und die tägliche Arbeit strukturieren unseren Alltag. Es gibt immer wieder Menschen, die ein Leben in diesem monastischen Dreiklang suchen. Die Ordensgemeinschaften, die apostolisch tätig sind, haben größere Nachwuchsprobleme als wir. Früher musste man ins Kloster gehen, um zum Beispiel überhaupt als Krankenschwester arbeiten zu können. Dazu muss man heute nicht mehr Ordensfrau werden. Solch eine Doppelbelastung kann eine Ordensgemeinschaft auch schwächen. Oft bleibt zu wenig Zeit für die Gemeinschaft und das Gebet. Bei uns ist es anders.
Frage: Trotzdem treten viel weniger junge Frauen ein, als früher.
Sr. Eva-Maria: Heute wachsen selten Menschen von klein an, in den Glauben hinein. Es gibt insgesamt weniger Gläubige und die Anwege für eine solche Lebensentscheidungen sind meist viel länger.
Frage: Aber es ist doch auch nicht einfach, hinter Klostermauern und ohne Ausgang zu leben?
Sr. Eva-Maria: Heute ist es bei weitem nicht mehr so streng, als es früher noch üblich war. Als Oberin versuche ich allen Mitschwestern den nötigen Raum zu lassen, den sie brauchen, um sich weiterentwickeln zu können. Und wenn es einen triftigen Grund gibt, hinauszugehen, dann erlaube ich das auch. Mir ist wichtig, dass es jeder einzelnen gut bei uns geht. Als ich damals eingetreten bin, gab es vor mir 28 Jahre lang keinen Eintritt, heute werden es wieder mehr, die kommen.
Frage: Haben Sie keine Zukunftsängste?
Sr. Eva-Maria: Nein, ich habe keine Angst vorm Aussterben, im Gegenteil, ich spüre, dass unsere Gemeinschaft eine gute Zukunft hat. Zukunft kann es allerdings nur geben, wenn wir zusammenhalten. Das haben wir begriffen. Seit einigen Jahren duzen wir uns auch, das stärkt den Zusammenhalt. Darüber bin ich sehr froh. Wir hatten auch eine Zeit, als wir darüber nachdachten, unser Kloster mit einem anderen zusammenzulegen. Das ist aber Gott sei Dank nicht passiert. Das andere Kloster ist in der Zwischenzeit geschlossen. Uns gibt es noch und ich hoffe, das wird auch so bleiben.