Ungewisse Zukunft auf der grünen Insel

Was der Brexit für die Katholiken in Irland bedeutet

Veröffentlicht am 28.04.2019 um 15:10 Uhr – Lesedauer: 

Bochum ‐ Da die katholische Kirche die territoriale Aufspaltung der Insel im Jahr 1921 nicht mitmachte, sind bis heute einige irische Diözesen geteilt. Für die Praktikabilität von deren Glaubensleben hätte der Brexit dramatische Konsequenzen.

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Wer verstehen möchte, welche Herausforderungen der Brexit – so er denn irgendwann tatsächlich stattfindet – für die katholische Kirche auf der geteilten irischen Insel mit sich bringt, sollte nach Jonesborough fahren. Hier, in dem kleinen Dorf direkt an der Grenze zwischen der Republik Irland und der zum Vereinigten Königreich gehörenden Region Nordirland, steht die Herz-Jesu-Kirche. Das unscheinbare Gotteshaus weist eine absurde Besonderheit auf: Seine Vorderseite steht in Nordirland, während die Rückseite zusammen mit dem Friedhof in der Republik Irland liegt.

Die Grenzziehung mitten durch die Kirche ist das Ergebnis des Anglo-Irischen Vertrags von 1921, der die politische Teilung der Insel zur Folge hatte. Die katholische Kirche vollzog diese Teilung jedoch nicht mit; kirchenrechtlich ist Irland bis heute nicht geteilt. Die Folge: Die Gebiete der Bistümer Armagh, Derry und Clogher liegen sowohl in Nordirland, als auch in der Republik Irland.

Die Mitglieder der nordirischen Herz-Jesu-Gemeinde in Jonesborough witzelten kürzlich gegenüber dem "Spiegel", dass sie im Falle eines harten Brexits wohl besser ihren Reisepass mitnehmen sollten, wenn sie ihre Toten auf dem Friedhof besuchen wollten. Hinter diesem Scherz steckt eine reale Sorge und es fällt leicht, sich folgendes Szenario vorzustellen: Ein Trauerzug auf seiner Rückkehr nach Jonesborough, die Trauernden müssen an der Grenze warten, um von Militär und Polizei überprüft zu werden. Eine Situation, die dem fragilen Frieden in Nordirland wohl alles andere als zuträglich wäre.

Nicht nur von ihren Toten getrennt

Die Gläubigen in Jonesborough wären im Falle eines harten Brexits aber nicht nur von ihren Toten abgeschnitten, sondern auch von ihren Sozialkontakten. Der Farmer Damian McGenity erzählte "Public Radio International" von seinen Befürchtungen: "Meine Frau arbeitet im Süden [der Republik Irland, Anmerkung der Redaktion], wir kaufen Benzin und Lebensmittel im Süden. Ich kaufe Nachschub für meinen Bauernhof im Süden. Wenn man zum Essen ausgehen oder ein Fußballspiel sehen möchte, würde man nach Dundalk im Süden fahren." All dies würde durch einen harten Brexit erschwert oder gar völlig unterbrochen.

Jonesborough und die Diözese Armagh sind mit dieser schwierigen Situation nicht alleine. Ähnliches lässt sich auch in Lifford in der Diözese Derry beobachten. Ein Drittel der Pfarrgemeinden des Bistums liegt in der Republik Irland, was die Gläubigen und die Priester im Falle eines harten Brexits vor besondere Herausforderungen stellen würde, so Derrys Bischof Donal McKeown im Gespräch mit katholisch.de. Auch in Irland würden immer weniger Priester geweiht. In Kombination mit einer harten Grenze würde diese Entwicklung mit Sicherheit dazu führen, dass die Zahl der Taufen, Messen und Kommunionen aus Personal- und Zeitmangel eingeschränkt werden müsse – und dies wiederum würde die religiöse Versorgung der Gemeindemitglieder beeinträchtigen.

Bild: ©lights4u/Fotolia.com

Statue des irischen Nationalheiligen Patrick am Fuße des Croagh Patrick. Der "Heilige Berg" soll im Jahr 441 der Ort der vierzigtägigen Buße des Missionars Patrick gewesen sein.

Eine weitere Behinderung würden durch den Brexit auch die fremdsprachigen Gemeinden erfahren, insbesondere die polnische Gemeinde. Gegenwärtig leben rund 30.000 Polen in Nordirland, die in den Jahren der wirtschaftlichen Freizügigkeit ins Land kamen. Da die Brexit-Hardliner die vollständige Kontrolle über die Grenzen des Vereinigten Königreichs und eine Remigration insbesondere auch der vielen Osteuropäer verlangen, könnt es für die katholische Kirche zukünftig schwierig werden, polnischsprachige Priester für die polnischen Gemeinden in Derry und Armagh zu finden, so die Befürchtung.

Hinzu kommt: Wenn der freie Warenverkehr zwischen Nordirland und der Republik Irland durch eine Grenze und Zölle unterbrochen wird und grenzüberschreitende Kooperationen aufgelöst werden, könnte dies in Nordirland zu verstärkter Armut führen. Für den Bischof von Derry ist das auch ein pastorales Problem: "Alles, was Spannung und Hoffnungslosigkeit aufbaut, ist ein pastorales Problem."

Wie kann die katholische Kirche den Armen helfen?

Doch wie kann die katholische Kirche den Armen helfen? Einerseits engagiert sich die irische katholische Sozialorganisation St. Vincent de Paul auch in Nordirland und gibt dort jährlich etwa drei Millionen Euro aus. Sie unterstützt arme Menschen etwa durch Sozialkredite oder bringt Obdachlose in Unterkünften unter. Zudem gibt die Stiftung etwa neun Millionen Pfund im Jahr für soziale Zwecke aus, zu denen auch die Armenunterstützung zählt.

Dass die Wirtschaft dem Menschen dienen soll und nicht umgekehrt ist für Bischof McKeown und seine Mitbrüder in Nordirland klar. Diese Position haben sie, unterstützt durch das "Northern Ireland Catholic Council on Social Affairs", auch immer wieder gegenüber der nordirischen Regionalregierung klargemacht.  Seit Januar 2017 ruht dieses Gremium jedoch, weshalb die Bischöfe ihrer Einflussmöglichkeit beraubt sind – insbesondere deswegen, weil sich die Regierung in London bis jetzt nicht entschieden hat, wie Nordirland zukünftig regiert werden soll.

Die katholische Kirche in Nordirland ist somit angesichts eines möglichen harten Brexits auf vielen Ebenen gefordert und steht vor zahlreichen Herausforderungen. Der Bischof von Derry betont mit Blick darauf kämpferisch: "Der Brexit ist zwar ein Problem. Aber für das Gottesvolk ist jede Herausforderung auch eine Zeit der Gnade, wo immer von Wiederauferstehung die Rede sein muss."

Von Jan Freytag

Linktipp: Irischer Primas warnt vor Gewalt nach Brexit

Der bevorstehende Brexit trifft auch die irische Insel hart. Eamon Martin, Primas der irischen Katholiken, befürchtet, dass dadurch der alte Konflikt wieder entflammen könnte. Deshalb sollen sich die Menschen ein Beispiel am heiligen Patrick nehmen.