"Wort Gott schein in Theologie am Rand zu stehen"

Wegen Missbrauchs-Aufsatz: Benedikt XVI. antwortet Kritikern

Veröffentlicht am 26.08.2019 um 11:54 Uhr – Lesedauer: 
Wegen Missbrauchs-Aufsatz: Benedikt XVI. antwortet Kritikern
Bild: © KNA

Freiburg ‐ Im April hatte Benedikt XVI. die 68er und die Gottlosigkeit der Gesellschaft für den Missbrauch in der Kirche verantwortlich gemacht. Dafür erntete er teils scharfe Kritik – die in seinen Augen jedoch am Kern seiner Argumentation vorbeigeht.

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Der emeritierte Papst Benedikt XVI. hat Kritik an den Reaktionen auf seinen Aufsatz zur Missbrauchskrise in der katholischen Kirche geübt. "Soweit ich sehen kann, erscheint in den meisten Reaktionen auf meinen Beitrag Gott überhaupt nicht, und damit wird genau das nicht besprochen, was ich als Kernpunkt der Frage herausstellen wollte", schreibt er in einem kurzen Beitrag für die "Herder Korrespondenz" (September-Ausgabe).

Benedikt hatte im April 2019 einen Beitrag mit dem Titel "Die Kirche und der Skandal des sexuellen Missbrauchs" veröffentlicht. Darin benannte er die Gottlosigkeit in der Gesellschaft sowie eine Entfremdung vom Glauben, die sich seit den 1960er Jahren auch in einer Abkehr von der katholischen Sexualmoral breitgemacht habe, als Hauptursachen für sexuellen Missbrauch. Teile der Kirche seien "wehrlos gegenüber den Vorgängen in der Gesellschaft" gewesen. Auch in der Theologie, in der Priesterausbildung und in der Auswahl von Bischöfen hätte dies fatale Folgen gehabt.

"Allgemeines Defizit in der Rezeption meines Textes"

Für seinen Aufsatz hatte Benedikt scharfe Kritik von Missbrauchsopfern und Wissenschaftlern geerntet. So nannte der Freiburger Fundamentaltheologe Magnus Striet die Analyse in einem Gastbeitrag für katholisch.de "teilweise absurd". Benedikt XVI. baue einen Popanz auf, "um einen Schuldigen dafür ausmachen zu können, warum Missbrauch stattfand - und systematisch vertuscht wurde". Auch die Historikern Birgit Aschmann wies die Analyse des emeritierten Papstes zurück. Von einer breitflächigen "Normenlosigkeit", wie sie Benedikt auch fünfzig Jahre nach "1968" sieht, könne keine Rede sein, schrieb sie in der "Herder Korrespondenz" (Juli-Ausgabe).

Benedikt antwortet Aschmann nun und nennt ihren Beitrag "ungenügend und typisch für das allgemeine Defizit in der Rezeption meines Textes". Es sei ihm aufgefallen, "dass auf den vier Seiten des Artikels von Frau Aschmann das Wort Gott nicht vorkommt, das ich zum Zentralpunkt der Frage gemacht habe". Dass der Beitrag sein Vorbeigehen am Kern der Argumentation gemeinsam habe "mit dem Großteil der mir bekannt gewordenen Reaktionen, zeigt für mich die Ernsthaftigkeit einer Situation auf, in der das Wort Gott in der Theologie sogar vielfach am Rand zu stehen scheint". (bod)