Fronleichnam ist Fest des christlichen Bekenntnisses

Wie öffentlich darf Religion sein?

Veröffentlicht am 31.05.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Religion

Bonn ‐ Die Kreuzpflicht in Bayern ist eine weitere Etappe in der Debatte um Religion in der Öffentlichkeit. Der Druck zu mehr Laizismus wächst. Sind religiöse Äußerungen in Deutschland peinlich geworden?

  • Teilen:

Man kann es auch brachial lösen: ein Kreuz in jede Amtsstube, wie es Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) will. Christliches Bekenntnis quasi verordnet - und in Abgrenzung zum Islam. Das scheint (neben parteipolitischen Erwägungen) eine trotzige Gegenbewegung zum Trend aus Brüssel oder den Nachbarländern Frankreich und Großbritannien zu sein, religiöse Äußerungen aus dem öffentlichen Leben fernzuhalten. Denn grundsätzlich wächst eher der Druck zu mehr Laizität.

Die Älteren werden sich noch erinnern: Jugendliche mit tendenziell langen Haaren ziehen mit Gitarre durch die Fußgängerzonen und singen "Hava nagila hava", ein Lied aus dem chassidischen Judentum. Oder die orangenen Hare-Krishna-Jünger mit ihren Zimbeln und Trommeln. Recht normal damals; etwas ver-rückt im eigentlichen Wortsinn, aber jedenfalls harmlos und also toleriert.

Damals war morgens um sieben die Welt noch in Ordnung und auf den Spleen der radikalen Trennung von Staat und Kirche in Frankreich schaute man gar nicht oder nur mit einem lässigen Schulterzucken. Doch dann wurden die Arbeitsgerichtsurteile häufiger, die das öffentliche Tragen von Kreuzen, Schleiern oder Kopftüchern untersagten. Der Islam wurde im Stadtbild immer mehr Teil von Deutschland. Parallel ging die Rede von der "politischen Korrektheit" um.

Ministerpräsident Markus Söder
Bild: ©picture alliance/Peter Kneffel/dpa

Markus Söder, Bayerischer Ministerpräsident (CSU), hängt ein Kreuz im Eingangsbereich der bayerischen Staatskanzlei auf.

Inzwischen scheinen religiöse Äußerungen in Deutschland peinlich geworden - oder zumindest ziemlich uncool. Die Selbstverständlichkeit ist verloren gegangen, auf der Strecke geblieben. Sogar ein Tischgebet im Restaurant, verschämt oder im Gegenteil ganz selbstbewusst, hat auf manchen Religionsfernen eine Wirkung, als ob ein muslimischer Kunde bei McDonalds den Gebetsteppich ausrollt.

Der italienische Philosoph Ugo Perone sagte kürzlich in einem Interview, die Trennung von Staat und Kirche sei nicht nur ein Freiheitsgewinn. Mit der Säkularisierung sei auch etwas verloren gegangen, das den Menschen heute fehle: Es brauche "eine orientierungsfähige Weltanschauung". Glücklicherweise, so Perone, sei zwar "eine kulturelle Form zu Ende gegangen", nicht aber seien die Inhalte verschwunden. "Der Glaube bleibt möglich", so der Philosoph, "wie auch die Liebe, wie auch ein christlich orientiertes Leben". Die Herausforderung sei es, die Kraft solcher Inhalte zu hüten.

Fronleichnam: Mehr Bekenntnis geht kaum

Ganz gegen den Trend zum Rückzug christlicher Bekenntnisse geht das Fronleichnamsfest. Aus dem Mittelalter stammend, ist es das christliche Schaufest schlechthin. Katholiken ziehen an diesem zweiten Donnerstag nach Pfingsten - in diesem Jahr am 31. Mai - durch die Straßen ihres Dorfes oder Viertels. Mit dem Fest, das aus dem Althochdeutschen übersetzt so viel wie "Fest des Leibes und Blutes des Herrn" heißt, feiern sie die Gegenwart Jesu in der als Leib Christi verehrten Hostie. Mehr Bekenntnis geht kaum.

Die frühen Christen kannten noch keine Verehrung der geweihten Hostie. Erst nachdem das Christentum im vierten Jahrhundert Staatsreligion wurde, übernahm es viele Herrschaftsrituale des Kaiserkults. Die Messfeier und das Messopfer in Erinnerung an Christus ("tut dies zu meinem Gedächtnis") wurden mehr und mehr zum Schau-Spiel; die Idee des gemeinsamen Mahls trat zurück.

Eine Fronleichnahmsprozession in Deutschland.
Bild: ©KNA

Eine Fronleichnamsprozession in Deutschland.

In den 1270er Jahren verlief die erste Fronleichnamsprozession mit festlichem Gepräge durch die Straßen von Köln. Ein solcher Umzug war bei der Einsetzung des Festes ursprünglich gar nicht vorgesehen gewesen - doch er passt zu Fronleichnam als Sinnbild gelebten Christentums. Die Prozession steht für das Ziehen des Gottesvolkes durch die Zeit.

Damals, zur Entstehungszeit, war es gar keine Frage, dass alle in der Stadt, mit Ausnahme womöglich der jüdischen Gemeinde, gläubige Christen sind. Für sie war der Umzug zu Fronleichnam vielfach eine prachtvolle Demonstration ihrer Frömmigkeit. Heute firmiert die Prozession in Großstädten eher unter anderen kuriosen Umzügen im Jahreskreis wie Karneval, dem sozialistischen "Heraus zum 1. Mai" oder dem Schützenfest.

Martin Luther galt Fronleichnam als das "allerschädlichste Jahresfest"; Prozessionen waren für ihn Gotteslästerung. In der NS-Zeit, der großen Zeit der politischen Aufmärsche, war der Zug der bekennenden Katholiken durch die Stadt vielerorts ein kämpferischer Akt passiven politischen Widerstands. Wer mag, kann darin heute einen Akt des Widerstands gegen Laizismus und Verweltlichung sehen. Vor allem aber ist er, was er immer war: ein heute selten gewordenes religiöses Bekenntnis in der Öffentlichkeit.

Von Alexander Brüggemann (KNA)