Woelki: Dürfen zentrale Lehren der Kirche nicht aufgeben
In der Debatte um Veränderungen in der katholischen Kirche hat sich der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki gegen eine zu starke Anpassung an Erwartungen von Medien und Öffentlichkeit gewandt. In einem Beitrag für die "Tagespost" (Donnerstag) beklagte er zugleich ein weitreichendes Unverständnis gegenüber zentralen Aspekten des katholischen Glaubens.
Mit Blick auf steigende Austrittszahlen und Forderungen nach einer Modernisierung der Kirche schreibt der Kölner Erzbischof: "Das Argument, dass die Abstimmung mit den Füßen, also die Abkehr vieler Menschen von der Kirche, schlicht keine andere Wahl lasse, überzeugt mich nicht." Christus selbst habe nicht nur Zustimmung und Jubel ausgelöst, sondern auch Unverständnis und Ablehnung.
Konkret warnte der Kardinal davor, zentrale Lehren und Einsichten der Kirche vorschnell über Bord zu werfen. Das gelte nicht nur für die ganz großen Dogmen, sondern auch für das kirchliche Eheverständnis und die Sexuallehre mit ihrer Betonung von Liebe und Treue und der Offenheit für neues Leben. Auch der Pflichtzölibat oder das Nein zu einer Weihe von Frauen könnten nicht mit einem Federstrich geändert werden.
Nicht Verbote stünden im Zentrum der kirchlichen Sexualmoral...
In diesem Zusammenhang kritisierte Woelki eine Fixierung der Kritiker auf die Sexuallehre der Kirche. "Die Kirche sollte vorsichtig sein, dieses Zerrbild nicht dadurch zu bestätigen, dass sie selbst nur noch diese Debatten führt", schreibt er mit Blick auch auf die Medien. Dort, wo die Kirche über Sexualität rede, sollte sie sich nach den Worten des Kardinals auf das Wesentliche besinnen: "Nicht Verbote stehen im Zentrum ihrer Moral, sondern eine Verheißung, ein Glücksversprechen." Sexualität sei Teil des göttlichen Heilsplanes und eine Quelle der Freude und des erneuerten Lebens. "Die so oft geschmähte, angeblich dringend reformbedürftige kirchliche Morallehre hält ein Versprechen aufrecht, das in der Spaß- und Unterhaltungskultur unter die Räder zu kommen droht: Es gibt sie, die eine große Liebe." Das gelte für viele Eheleute, aber auch Priester.
"Aufgabe der Kirche ist es, die Geister voneinander zu scheiden. Sie kann sich, egal wie groß der mediale Handlungsdruck und die öffentlichen Erwartungen auch sein mögen, keine Veränderungen ihrer Lehre abtrotzen lassen, wenn diese dem Geist des Evangeliums widersprechen", so Woelki. Die Kirche benötige eine "Entweltlichung"; gemeint sei damit kein "Rückzug von der Welt" und kein Rückzug in Traditionalismus und Wagenburg-Mentalität, sondern "eine Rückbesinnung auf den einzigartigen Charakter der christlichen Heilsbotschaft".
In diesem Zusammenhang verwies der Kölner Erzbischof auf die evangelische Kirche. Sie stehe trotz verheirateter Pfarrer, Weiheämtern für Frauen, Neubewertung der Homosexualität und einer generellen Akzeptanz außerehelicher Sexualität kein Stück besser da. Darin zeige sich, dass "die wahren Probleme woanders liegen, dass das gesamte Christentum mit einer Krise des Glaubens und Verstehens zu kämpfen hat".
Bei ihrer Vollversammlung in Lingen hatten die katholischen Bischöfe in der vergangenen Woche unter dem Eindruck einer Vertrauenskrise in der Öffentlichkeit einen "verbindlichen synodalen Weg" zur Erneuerung der Kirche beschlossen. Auf diesem Weg sollen der Zölibat der Priester, die katholische Sexualmoral und die Macht der Kleriker in der Kirche zur Debatte gestellt werden. (KNA)