Standpunkt

Pastorale Not im Krankenhaus

Veröffentlicht am 16.07.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Bei mehreren Klinikaufenthalten hat Joachim Valentin in den vergangenen Monaten schlechte Erfahrungen mit der Krankenhausseelsorge gemacht. In seinem Kommentar stellt er deshalb kritische Fragen zum Zustand der Seelsorge für erkrankte Menschen.

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Mehrere Routine-Operationen haben mich in den vergangenen Monaten Bekanntschaft mit dem deutschen Krankenhauswesen machen lassen. Kurzes Fazit: Brillante Ärzte und freundliche Pflegekräfte, nicht selten aus dem Ausland, machen hervorragende Arbeit oft weit über ihre Kräfte hinaus. Was fehlt ist Pflegepersonal und gute Kommunikation zwischen den verschiedenen Systemen im Krankenhaus: Die Ernährungsberaterin war noch nie in der Küche, um dort Einfluss auf das mittelmäßige (und zum Teil ungesunde) Essen zu nehmen; der Arzt weiß nichts von dem, was der demente Bettnachbar nachts so treibt etc. Doch nie fühlt man sich verloren oder übersehen.

Anders die Krankenhausseelsorge, die in diesem Fall komplett in indischer Hand lag. Hier fokussiert sich die selbstverschuldete Notlage, in der unsere Diözesen nicht nur in der territorialen, sondern auch in der kategorialen Pastoral stecken: Jenseits aller Standards der in Deutschland ehemals hochprofessionellen Krankenhausseelsorge wird hier dilettiert, was das Zeug hält. Patientienorientierung? Initiatives Aufsuchen der Patienten am Krankenbett? Fehlanzeige! Stattdessen wird mit einem auf biblische und liturgische Formeln reduzierten Deutsch herumhantiert. Wer genau hat sich um die Inkulturation der seit 14 Jahren in Deutschland lebenden "ausländischen Fachkräfte" gekümmert? Sogar auf die ausdrücklich erbetene Krankenkommunion wartete ich zuletzt eine Woche lang vergeblich. Da war ich herzlich froh, von Verwandten und Freunden gemäß dem Matthäusevangelium ("Ich war krank und ihr habt mich besucht") gut umsorgt zu sein und der kirchlichen "Seelsorge" nicht zu bedürfen.

Nach fast vollendeter Genesung bleibt mir aber doch die grundsätzliche Frage: Wer braucht überhaupt eine solche Pastoral, die in der kaum besuchten täglichen Krankenhausmesse zwar liturgische Formeln wiederholt, sich aber nicht auch nur annähernd auf die spezifische Situation des in Ängsten oder Schmerzen befangenen kranken Menschen einlässt? Selbst wenn er sich von seiner Kirche entfernt hat, könnte er gerade in den einsamen Tagen im Krankenhaus wieder neu verstehen, was es heißt, existentiell verwiesen zu sein auf einen Gott, der das eigene Leben in Händen hält, vielleicht wieder neu beten lernen wollen, vorausgesetzt es wäre jemand da, um ihn zu verstehen und dabei zu begleiten.

Zumindest für das, was ich in insgesamt 30 Tagen erleben "durfte", ist jeder Euro, der in teure Krankenhauskapellen und Gestellungsverträge investiert wird, einer zuviel!

Von Joachim Valentin

Der Autor

Joachim Valentin ist Direktor des katholischen Kultur- und Begegnungszentrums "Haus am Dom" in Frankfurt am Main und Vorsitzender des Frankfurter Rates der Religionen.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.