Gastbeitrag von Weihbischof Anton Losinger zu Mariä Himmelfahrt

Die Freude an Gott und die Würde des Menschen

Veröffentlicht am 15.08.2016 um 00:01 Uhr – Von Anton Losinger – Lesedauer: 
Mariä Himmelfahrt

Augsburg ‐ Heute begeht die Kirche das Hochfest Mariä Himmelfahrt. In einem Gastbeitrag setzt sich der Augsburger Weihbischof Anton Losinger im Lichte des Magnificats, des Lobgesang Marias, mit dem Fest auseinander.

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Im Mittelpunkt des Festes Mariä Himmelfahrt steht das bewegendste und erhabendste Jubellied des Neuen Testaments. Es ist das Magnificat, der Lobpreis Marias, der auf überwältigende und ansteckende Weise die Freude an Gott besingt und tiefe Dankbarkeit ausdrückt. "Magnificat anima mea!" - "Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott meinen Retter." Warum darf, ja warum muss ein Christ jubeln, preisen und danken?

Drei Gründe lese ich aus dem Magnifikat Marias heraus:

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Video: © katholisch.de

Schwester Ursula Hertewich aus dem Dominikanerinnenkloster Arenberg betet das Magnificat, den Lobgesang Mariens. Danach erklärt sie, wann es feierlich gebetet wird und was es ihr bedeutet.

"Der Mächtige hat Großes an mir getan"

Gleich zu Beginn des Lobgesangs Marias steht der erste Grund zum Jubeln: "Meine Seele preist die Größe des Herrn, denn der Mächtige hat Großes an mir getan." Allen Menschen voran darf Maria sich glücklich preisen, dass Gott an ihr groß gehandelt hat. Sie ist ja die Erwählte, die Gottesmutter, der auf Erden am engsten Jesus Christus, dem Herrn, verbundene und nahestehende Mensch. Sie ist ein Urbild der Würde und Wertschätzung des Menschen, die Gott schenkt!

"Die Würde des Menschen ist unantastbar" - so lautet der zentrale Grundsatz unserer Verfassung, der oft zitiert und eingefordert wird. Worin ist er begründet? Woher kommt jedem Menschen seine besondere Würde zu? Und weshalb darf sie nicht angetastet werden? Die Geburt Jesu Christi aus Maria gibt eine Antwort auf diese Frage, eine kühne Antwort: Gott hat uns gewürdigt. Er ist leibhaftig einer von uns geworden, in der Geburt Jesu aus Maria, der Jungfrau. Er hat sich ganz und gar auf unsere menschliche Existenz und Geschichte eingelassen.

Gottes Würdigung macht die Menschenwürde unantastbar. Wenn diese nur auf einem demokratischen "agreement" beruhte, auf einer Art Gesellschaftsvertrag, dann wäre es schlecht um sie bestellt. Verträge sind kündbar, selbst solche, die die Menschenrechte und die Menschenwürde betreffen. Tagtäglich finden solche "Vertragsbrüche" offen und versteckt statt, auch bei uns, und nicht nur irgendwo auf der Welt. Allzu oft  werden Menschen gezwungen, unter ihrer Würde zu leben.

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Mariä Himmelfahrt am 15. August ist das älteste und bekannteste der vielen Marienfeste, die die katholische Kirche über das Jahr verteilt feiert. Obgleich in der Bibel nur in Andeutungen über eine leibliche Aufnahme Marias in den Himmel berichtet wird.

"Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen!"

Was über die Würde Marias gesagt worden ist, gilt in gleicher Weise für jeden von uns. Gott hat, wie an Maria, an jedem Einzelnen von uns Großes getan und ER tut ständig Großes in unserem Leben. Gott wirkt auch heute in der Geschichte der Menschen und dreht immer wieder krumme Dinge um.

Es ist geradezu ein revolutionärer Hauch, der die Mitte des Gebets Marias durchzieht. "Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen!" Gott steht gegen Unrecht, Demütigung und Unterdrückung. Er steht auf der Seite der Niedrigen, der Unterdrückten und der Schwachen. Hier nimmt das Magnificat Marias etwas vorweg, was später von Jesus, ihrem Sohn, in einer der spektakulärsten Reden der Kulturgeschichte der Menschheit gesagt werden wird: Es sind die berühmten Seligpreisungen aus der Bergpredigt, die diese Umdrehung der Gravitationsgesetze unseres menschlichen Lebens verkünden.

Seitdem Gott Mensch geworden ist, lässt sich der Mensch nicht mehr relativieren. Auch weltweite soziale Gerechtigkeit ist so ein Thema des Magnificats. Der Lobpreis Marias ist geradezu ein Anstoß, sich einzusetzen für den Menschen, den Gott gewürdigt hat. Das gilt für jeden, für den Schwarzen wie für den Weißen, für den Fremden wie für den Einheimischen, für den Arbeitslosen wie für den Spitzenmanager, für den Kranken wie für das neugeborene Baby, für den Menschen mit Behinderung wie für den Gesunden. In der Geburt Jesu aus Maria hat Gott alle Menschen gewürdigt. Dieser Universalismus, der den christlichen Glauben von Anfang an kennzeichnet, ist das Gebot der Stunde. Gerade in Sachen Menschenwürde und Menschenrechte darf es keine Grenzen geben.

Bild: ©KNA

Anton Losinger ist Weihbischof im Bistum Augsburg.

"Abraham und seinen Nachkommen auf ewig!"

Das Magnificat endet mit dem Blick auf Israel, das Volk Gottes. Es ist zugleich ein Blick auf die Zukunftsperspektive der Menschheit insgesamt: "Er nimmt sich seines Volkes Israel an und denkt an sein Erbarmen, das er unseren Vätern verheißen hat, Abraham und seinen Nachkommen auf ewig!" Gott ist treu und steht auf ewig zu seinen Verheißungen. Ja, auf ewig gilt sein Wort.

Wir Christen aller Kontinente dieser Erde dürfen uns freuen und jubeln! Mit Maria halten wir fest daran, dass Gott uns in Jesus Christus Grund zur Freude und zur Dankbarkeit gibt. Denn er hat uns gewürdigt, er steht auf unserer Seite, gerade in den Tieflagen und Problemsituationen unseres Lebens, er geht niemals von uns weg, wenn wir einen Tröster, einen Freund, einen treuen Gefährten an unserer Seite notwendig haben. Die ewige Treue Gottes zu uns Menschen, das ist auch der Grund für eine Freude, die keine Grenzen kennt.

Von Anton Losinger