Ein "Streiter für Christus"
Die DDR-Oberen versuchten alles, um Gründe und Tat zu vertuschen. Brüsewitz wurde als Irrer verunglimpft. Seit 1990 erinnert am Ort des Geschehens inmitten der sachsen-anhaltischen Kleinstadt jedoch eine schlichte Stele an ihn. Im Alltag scheint der Protest des Theologen gegen die DDR und deren Politik sowie sein Mut, in einem diktatorischem System unbequem und aufrührerisch zu sein, aber fast vergessen. "Ja, da war mal was" oder "Das haben die Bonzen und die Stasi vertuscht" - so reagieren Passanten auf die Frage, wer Brüsewitz war. 40 Jahre nach seiner Selbstverbrennung werden Blumen für ihn aufgestellt. Menschen verharren still am Ort.
"Die Kirche in der DDR klagt den Kommunismus an!"
An jenem Tag im August vor vier Jahrzehnten hatte der Pfarrer dort, vor der Michaeliskirche, zwei Plakate aufgestellt - mit der Aufschrift "Funkspruch an alle... Funkspruch an alle. Die Kirche in der DDR klagt den Kommunismus an! Wegen Unterdrückung in Schulen an Kindern und Jugendlichen". Dann zündete er sich an. Passanten wollten ihm helfen, ist von Zeitzeugen zu erfahren, doch der Stasi-Überwachungsstaat war schneller und brachte Brüsewitz weg. Er starb vier Tage später, am 22. August 1976, in einem Krankenhaus.
Er sei ein "Streiter für Christus, Kämpfer gegen Unrecht" gewesen. Er habe die "Menschen wachrütteln" wollen - ist auf einem kleinen Schild am Eingang der Kirche in Rippicha zu lesen. Das Gotteshaus in dem kleinen Dorf, wo Brüsewitz als Pfarrer wirkte, wurde mit dem Schild als "Ort der Zivilcourage und gegen das Vergessen" ausgewiesen. 100 Mitglieder hat die evangelische Gemeinde heute. Brüsewitz hinterließ eine Frau und zwei Kinder. Tochter Esther, damals 18 Jahre alt, ist heute in Thüringen Pfarrerin.
"Er hat sich doch immer angelegt"
Horst Schmidt, langjähriger Vorsitzender des Gemeindekirchenrates, erinnert sich gut an die Familie, an die Jahre mit Brüsewitz. "Er hat sich doch immer angelegt", sagt er und zeigt auf den Kirchturm. Dort ist ein großes Kreuz aus Leuchtstoffröhren angebracht. Das weithin leuchtende Neonkreuz war - wie die Kirche überhaupt - den SED-Bonzen ein Dorn im Auge. "Er wollte eine lebendige Kirchengemeinde aufbauen - und das auch nach außen hin zeigen", erklärt sich Schmidt die Symbolik des Kreuzes. Das Original des von Brüsewitz kreierten Neonkreuzes ist im Zeitgeschichtlichen Forum in Leipzig zu sehen. Das Haus beschäftigt sich mit der DDR-Geschichte und der friedlichen Revolution. 1989 hatten gewaltlose Massenproteste zum Ende des totalitären Systems in Ostdeutschland geführt - 13 Jahre nach dem Tod von Brüsewitz.
Die DDR-Bürgerrechtlerin Freya Klier hat sich ihm mit dem Buch "Oskar Brüsewitz: Leben und Tod eines mutigen DDR-Pfarrers" gewidmet. Sein Flammentod habe hohe politische Wellen geschlagen, der öffentliche Protest habe an den Grundfesten des Überwachungsstaates gerührt. Die Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen in Sachsen-Anhalt, Birgit Neumann-Becker, mahnt angesichts des 40. Todestages von Brüsewitz gegen das Vergessen. Kindern aus einem christlichen Elternhaus seien unter dem atheistisch geprägten SED-Regime Bildungsabschlüsse wie ein Studium verwehrt worden. Unter dieser Benachteiligung litten viele noch heute.