Streit über öffentliche Religionsausübung im Berliner Stadtbezirk

Kreuzberger Kulturkampf

Veröffentlicht am 03.09.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Gesellschaft

Berlin ‐ In Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg eskaliert ein Streit. Dabei geht es um die Frage, ob Religion öffentlich oder reine Privatsache ist. Anlass für die Auseinandersetzung ist ein "Sommerfest". Muslime aus dem Multi-Kulti-Stadtteil hatten das Fest zum Ende des Fastenmonats Ramadan, auch bekannt als "Zuckerfest", auf dem Mehringplatz feiern wollen. Doch das Bezirksamt erlaubte die Feier nicht. Erst als die Veranstalter die Feier in "Sommerfest" umbenannten, rückte die Behörde mit der Genehmigung heraus.

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Und es sind nicht nur muslimische Feiern, die nicht mehr genehmigt werden. Ein Weihnachtsmarkt am Spreewaldplatz wurde nach einem Bericht des "Berliner Kuriers" erst genehmigt, als er in "Winterfest" umbenannt wurde. Christen mögen sich verwundert die Augen reiben. Die Frage stellt sich, was bei einem Weihnachtsmarkt prägnant ist: Die religiöse Feier der Geburt Jesu Christi oder der kommerzielle Charakter des Marktes. Letzteres ist in wohl mehr als 99 Prozent aller in Deutschland stattfindenden Weihnachtsmärkte der Fall.

Wowereit ist entsetzt über "blödsinningen Beschluss"

Selbst der Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, schüttelt den Kopf über das, was in Kreuzberg passiert: "Ich habe das mit Entsetzen gehört. Man hat den Eindruck, Kreuzberg soll mit solch blödsinnigen Beschlüssen zum atheistischen Bezirk gemacht werden", sagte Wowereit am vergangenen Freitag der "Bild"-Zeitung.

Und auch die Berliner Bischöfe haben sich inzwischen in den Streit um religiöse Feiern im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg eingeschaltet. Ihm liege sehr an einem gedeihlichen Zusammenleben aller Kulturen, Religionen und Weltanschauungen, erklärte der Berliner Erzbischof, Kardinal Rainer Maria Woelki, am Freitag in der Hauptstadt. Das Christentum erhebe aber auch den Anspruch, öffentlich zu sein. Der evangelische Landesbischof Markus Dröge kritisierte die Entscheidung des Bezirks, das Zuckerfest nur als Sommerfest zu genehmigen. Dies sei eindeutig gegen das Recht der Religionen gerichtet, sich auch in der Öffentlichkeit zu präsentieren.

Auf dem Bild sieht man das Schild vor dem Eingang.
Bild: ©picture alliance / XAMAX

Das Bezirksamt von Friedrichshain Kreuzberg aufgenommen am 08.03.2011 in Berlin.

Der zuständige Bezirksstadtrat Peter Beckers (SPD) hatte der Berliner Boulevardzeitung "B.Z." zur Begründung erklärt, er habe das Fest auch für nicht-religiöse Menschen öffnen wollen. Der Bezirk müsse bei den vielen Anmeldungen von Festen unter anderem von Religionsgemeinschaften strikter als bisher verfahren, wenn es um eine Genehmigung gehe.

Dröge: Wir sind kein laizistischer Staat

Dröge warf dem Bezirksamt ein falsches Verständnis des Verhältnisses von Staat und Religionsgemeinschaften vor. Er kündigte an, rechtliche Schritte zu prüfen, wenn auch Kirchengemeinden von der Regelung betroffen sein sollten. "Wir sind kein laizistischer Staat, vielmehr ist die Ausübung der Religion in der Öffentlichkeit durch das Grundgesetz und für die evangelische Kirche durch den Kirchenvertrag mit dem Land Berlin geschützt", so der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz.

Der jetzigen Ablehnung von religiösen Festen gehen bereits weitere Entscheidungen der Bezirksverordnetenversammlung des Stadtbezirks voraus. Bereits im Februar hatten die Abgeordneten auf Antrag der Fraktion "Die Piraten" das Wort "Religion" aus einem Beschlussantrag mit Unterstützung von Bündnis 90/Die Grünen und der Linken gestrichen. Ein Beschluss mit Wirkung.

Die Bezirksmedaille, die an Menschen verliehen wird, die sich ehrenamtlich um den Stadtbezirk verdient gemacht haben, gibt es fortan nicht mehr für religiöse Bewohner des Bezirks. Eine Entscheidung die auch Klaus Wowereit kritisiert: "Der Ausschluss von religiös ehrenamtlich Engagierten bei Ehrungen war schon nicht nachvollziehbar". (mit Material von KNA)

Von Markus Kremser

Bonifatiuswerk kritisiert Bezirk

Das Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken hat das Recht der Religionen auf öffentliche Feste eingefordert. Die Initiative unterstützte am Mittwoch in Paderborn die Kirchen in Berlin in ihrem Anliegen, religiöse Feste im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg weiterhin im öffentlichen Raum stattfinden zu lassen. Der Generalsekretär des Bonifatiuswerks, Georg Austen, zeigte sich befremdet über die Haltung der Berliner Behörde. "Wir sollten mit allen Mitteln die Toleranz einfordern, die Wurzeln unserer christlichen Traditionen zu respektieren." Gerade im multikulturellen Berlin müsste religiöse Vielfalt respektiert werden. Das 1849 gegründete Spendenhilfswerk unterstützt katholische Minderheiten in Nord- und Ostdeutschland, in Nordeuropa sowie in Estland und Lettland. (KNA)