Prälat Moll über selige und heilige Ehepaare

Du und Du für immer

Veröffentlicht am 02.10.2016 um 15:00 Uhr – Lesedauer: 
Heilige

Bonn ‐ Unter den 6.600 heiliggesprochenen Katholiken in der Kirchengeschichte finden sich nur 60 Ehepaare. Warum das so ist, erklärt Prälat Helmut Moll im Interview.

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Meist werden einzelne Menschen selig- oder heiliggesprochen, die seltenere Variante ist die Kanonisation im "Doppelpack". Zu diesem Phänomen hat Helmut Moll, Beauftragter für Selig- und Heiligsprechungsverfahren im Erzbistum Köln, gerade seine Monografie "Selige und heilige Ehepaare" herausgebracht. Im Interview spricht Moll darüber, was diese ungewöhnlichen Menschen kennzeichnet.

Frage: Herr Prälat Moll, warum kommen "Single"-Heilige soviel häufiger als Ehepaare vor?

Moll: Unter den 6.600 heiliggesprochenen Katholiken in der Kirchengeschichte finden sich tatsächlich nur 60 Ehepaare. Das liegt daran, dass die Menschen, die Christus nachfolgten, es meist in direkter Weise taten - also unverheiratet und in Treue gegenüber Gott lebten. Deshalb sind viele Priester und Ordensleute selig- und heiliggesprochen worden.

Bild: ©picture alliance/dpa/Miriam Schmidt

Der Kölner Prälat Helmut Moll ist der Beauftragte des Erzbistums Köln für Selig- und Heiligsprechungen, außerdem Historiker, Exeget und Experte für Exorzismus.

Frage: Ist die Ehe an sich möglicherweise nicht so hoch angesehen bei Gott? Schließlich schreibt der Apostel Paulus: "Ich sage aber den Ledigen und den Witwen: Es ist gut für sie, wenn sie bleiben wie ich. Wenn sie sich aber nicht enthalten können, so sollen sie heiraten; denn heiraten ist besser als in die Glut geraten."

Moll: Der heilige Paulus kommt aus dem Alten Testament und meint: "Ich möchte, dass alle so leben wie ich". Und er war unverheiratet. So war er ungeteilt für Gott da, der Verheiratete teilt sich jedoch auf. Er will für Gott und für seinen Partner da sein. Jesus sagt aber ebenfalls, dass auch die Ehe nicht das alleinige ist, sondern dass es nur solche erfassen, die treu und endgültig füreinander da sind. Und weil es auch damals schon hartherzige, rechthaberische und egoistische Menschen gab - also wenig von Liebe erfüllte - gibt Jesus klar vor: Die Ehe ist ein Sakrament, mit der Bindung an Gott, und diese Bindung ist endgültig.

Frage: War es den von Ihnen beschriebenen Ehepaaren bestimmt, einander zu finden, um gemeinsam heilig zu werden?

Moll: Wir unterscheiden zwei unterschiedliche Typen: Da sind die Märtyrer-Ehepaare; sie lebten bis zur Zeit Kaiser Konstantins beziehungsweise in der frühen Neuzeit ab dem 16. Jahrhundert, als die Christenverfolgung in Asien einsetzte. Das andere sind die Bekenner-Ehepaare: Die Partner haben beschlossen, ein konsequent christliches Leben zu führen.

Bei beiden Typen der Ehe finden wir gewisse Übereinstimmungen zwischen Mann und Frau: Im Falle der Märtyrer bedeutete Ehe eben Gemeinsamkeit im Leben wie im Tod. Sie sind am gleichen Tag unter den gleichen Bedingungen gestorben: indem sie verbrannt oder am Galgen aufgehängt wurden, oder sie kamen durch Verhungern oder Verdursten in Verliesen um. Bei den Bekenner-Ehepaaren ist es offensichtlich, dass die Voraussetzungen sehr ähnlich waren - sie besaßen eine große spirituelle Übereinstimmung, sie hatten die gleiche Lebensweise und die gleichen Bildungsvoraussetzungen. Oft handelte es sich bei ihnen auch um Herrscher eines Landes - wie etwa in Bamberg Heinrich II. und Kunigunde, - welche viel für die Kirche taten.

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Eheleute hatten bislang in der katholischen Kirche nur eine Chance, gemeinsam heilig zu werden: wenn sie als Märtyrer starben. Nun wurde erstmals in der Geschichte ein Ehepaar heiliggesprochen, weil es seine Ehe vorbildlich lebte.

Frage: Was macht überhaupt ein heiliges Ehepaar aus? Muss es keusch leben und sich besonderen Regeln unterwerfen?

Moll: Diese Menschen haben einfach ein ganz christliches Leben geführt. Das italienische Ehepaar Beltrame Quattrocchi hatte vier Kinder, die Franzosen Louis und Zelie Martin sogar neun. Sexualität war nicht verboten. Im Gegenteil: Die Liebe zeigte sich auch in der Fruchtbarkeit der Ehe. Ihre Devise war: Wenn wir vor Gott einander Ja gesagt haben, bleiben wir zusammen, halten wir zusammen, stehen wir zusammen. Diese Ehepaare haben zwar in ihrer jeweiligen Zeit gelebt, aber sie hatten etwas Überzeitliches. Sie haben sich gegenseitig ein für alle Mal gesagt: Du und Du für immer.

Frage: Ihr Buch nennen Sie eine Antwort auf die "heutige Scheidungsmentalität". Was können moderne Paare, von denen 90 Prozent längst nicht mehr unberührt in die Ehe gehen, von diesen tief gläubigen und sittsamen Paaren lernen?

Moll: Rund 80 Prozent aller Jugendlichen wünschen sich, dass ihr Partner ihnen treu bleibt. Aber sie können es nicht leben, weil die heutige Gesellschaft sehr nachgiebig ist und die sogenannte Kultur der Vorläufigkeit predigt: "Solange Du mir gefällst, solange Du schön bist und ich keinen besseren finde, bleibe ich bei Dir." Wenn ein vermeintlich besserer Partner kommt, lassen sie den anderen fallen wie eine heiße Kartoffel. Die von mir vorgestellten Ehepaare dagegen waren herausragend durch ihre Verlässlichkeit, Endgültigkeit und Treue. Ihre Form der Ehe war von keinem Zeitgeist geprägt und damit beispielhaft.

Von Esther von Krosigk (KNA)

Service

Helmut Moll: "Selige und helige Ehepaare". Mit einem Vorwort von Christoph Kardinal Schönborn, Dominus-Verlag, Augsburg 2016, 48 Seiten; 4,50 Euro.