Jesuiten wählen am Wochenende neuen Generaloberen

Schlaue Jungs

Veröffentlicht am 28.09.2016 um 13:55 Uhr – Lesedauer: 
Orden

München ‐ Die Jesuiten sind zum ersten Mal Papst - und zum dritten Mal tritt ihr Oberer zu Lebzeiten zurück. Während sich die Gewichte innerhalb des weltweit größten Männerordens verschieben, wird nun ein neuer Chef gesucht.

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Die Jesuiten sind die "schlauen Jungs" der katholischen Kirche. Zumindest wird ihr Ordenskürzel SJ bisweilen scherzhaft so übersetzt. Wahr daran ist jedenfalls, dass der weltweit größte Männerorden die meisten katholischen Intellektuellen vorzuweisen hat. Das liegt nicht nur an der anspruchsvollen akademischen Ausbildung im Orden, die allein zehn Jahre dauert. Philosophie und Theologie müssen alle machen. Aber die Jesuiten haben auch Rechtsanwälte, Biologen, Astrophysiker und Psychiater in ihren Reihen.

Flurbereinigung mit Reibereien

Wenn die rund 16.400 Mitglieder zählende Gesellschaft Jesu (Societas Jesu, SJ), wie ihr Name korrekt lautet, im Oktober einen neuen Generaloberen als Nachfolger von Adolfo Nicolas erhält, geschieht das in einer Zeit der Ab- und Aufbrüche. In Europa und den USA werden wegen Nachwuchsmangels reihenweise Provinzen zusammengelegt - und zwar in großem Stil. In Spanien fusionierten fünf Einheiten zu einer, die deutsche wird in Kürze nicht nur mit den Österreichern und Schweizern, sondern auch mit Ungarn und Litauen zusammengehen. Ähnliches steht den Iren, Briten, Niederländern und Flamen bevor.

Papst Franziskus schaut nach oben.
Bild: ©dpa

Der derzeit wohl berühmteste Jesuit: Papst Franziskus.

Diese Flurbereinigung geht nicht ohne Reibereien vonstatten. Auch Jesuiten sind nicht frei von landsmannschaftlichen Prägungen, mit denen Vorbehalte gegen so manchen Nachbarn verbunden sein können. Das zeigt sich gerade in Nordost- und Südosteuropa, wo sich Balten mit Russen und Polen schwertun oder Ungarn mit Rumänen.

Während der Orden im Westen schrumpft, gewinnt er in den jungen Kirchen der Südhalbkugel an Attraktivität. Fast jeder zehnte Jesuit ist Afrikaner. Mit beeindruckenden 22 stellen die aufstrebenden Inder inzwischen mehr als ein Viertel aller 77 Ordensprovinzen. Allein schon wegen dieser Kräfteverschiebung erscheint es durchaus denkbar, dass die Generalkongregation nun erstmals einen Nichteuropäer an die Spitze des Jesuitenordens wählt.

Eine stattliche Zahl renommierter Universitäten und Hochschulen

Als klassischer Bildungsorden verfügen die Jesuiten über eine stattliche Zahl renommierter Universitäten und Hochschulen. 240 solcher Einrichtungen verteilen sich rund um den Globus; zwei von ihnen befinden sich in Deutschland, in München und in Frankfurt/Sankt Georgen. Mit der Entwicklung dieser Standorte in der jüngeren Zeit ist man im Orden dem Vernehmen nach sehr zufrieden. Nach Sankt Georgen schicken immer mehr deutsche Bistümer ihre Priesteramtskandidaten zum Theologiestudium. Die Hochschule für Philosophie in der bayerischen Landeshauptstadt konnte zuletzt mehrere Gönner für Stiftungsprofessuren gewinnen.

In den zurückliegenden Jahrzehnten haben sich die Jesuiten, auch bestärkt durch Päpste wie Benedikt XVI. (2005-2013), die vorrangige Option für die Armen immer stärker zu eigen gemacht. Der Einsatz für soziale Gerechtigkeit und die damit verbundene Politisierung sei ein breiter Konsens im Orden, so ist zu hören.

Wie diese Profilierung mit dem althergebrachten Bildungsauftrag zu innovativen Ansätzen führt, lässt sich am soeben in Genf vorgestellten Projekt einer Online-Universität für die Bewohner von Slums und Flüchtlingslagern studieren. Statt die Begabtesten aller Länder in Eliteunis zusammenzuziehen, wollen die Jesuiten nun die Ärmsten an deren Wohnort zu Führungskräften qualifizieren.

Linktipp: Wachsen und lernen

Eine Kanonenkugel und ein zertrümmertes Knie beim Ritterspross Ignatius von Loyola trug dazu bei, dass der größte Männerorden der Kirche gegründet wurde. Die Jesuiten kümmern sich verstärkt um Bildung.

Dabei fängt der Orden nicht bei Null an. Bereits seit Jahren betreibt der Jesuiten-Flüchtlingsdienst in den von ihm betreuten Lagern in Afrika und im Mittleren Osten auch Schulen. Um für diese Arbeit Spenden zu akquirieren, werden inzwischen sogar eigene Schulhefte in Deutschland verkauft - mit Zeichnungen von Flüchtlingskindern auf dem Umschlag.

Franziskus' Geheimnis

Formell ruht die Ordensmitgliedschaft von Papst Franziskus seit dessen Bischofsernennung in Argentinien. Dennoch sehen sich die Jesuiten mit ihm theologisch und politisch auf ziemlich einer Linie. Einige Mitbrüder beraten ihn persönlich, so heißt es. Wer genau, das zählt bisher zu den gut gehüteten Geheimnissen seines Pontifikats.

Von Christoph Renzikowski (KNA)